Zweitens ist es Übungssache. Man(n) kann sich an einen weiblichen Stil herantasten. Ich habe das schon dann und wann getestet, und - wie Frauen mir bestätigt haben - mit Erfolg. Natürlich muss ich mir das bewusst machen, mich sehr konzentriert in die weibliche Figur hineinversetzen. Und ich behaupte nicht, dass das immer klappt. Manchmal aber eben doch.
Also doch?
Ja, doch. Frauen haben mir jedenfalls bestätigt, dass es hinhaut. Am besten ist mir das wohl in "Julia im Spiegel" gelungen, aber das ist bei weitem nicht der einzige Fall. Zum besseren Verständnis hier eine kleine Passage aus dem Buch. Julia ist eine Frau um die 40. Als sie an einem Freitag im August nach der Arbeit nach Hause kommt, zieht sie sich plötzlich ohne besonderen Anlass vollständig aus:
(Zitat)
Sie stand nun gewiss schon fünf Minuten vor dem Spiegel. Jedenfalls kam es ihr so vor. Fasziniert beobachtete sie, wie ihre Hand über ihren leichten Bauchansatz strich. Kreiste. Sie spürte die Berührung und spürte sie nicht. Es war etwas Fremdartiges und doch nicht Fremdes da in dem Spiegel ... ein bisschen so, wie sie nach Jahren des Grüßens dem afrikanischen Nachbarn begegnete, der in einem der zehn Appartements hier auf dem Flur lebte. Sie wusste nicht mal, in welchem.
Die Hand war nicht mehr so jung. Hände zeigen das Alter am deutlichsten. Doch es war keine hässliche Hand ... schmal, gepflegt, mit runden, glatten Nägeln in dezentem Silbergrau ... ihr Chef mochte "diese roten Krallen" bei Frauen nicht, aber da sie Rot ebenfalls nicht mochte, war das kein Problem für sie.
Nun war diese Hand einmal in Bewegung gekommen, und statt die unordentlich zu Boden gefallene Wäsche aufzulesen oder aus dem Kühlschrank den für heute Mittag vorgesehenen Rest Gemüseeintopf zu holen oder wenigstens den Fernseher schon mal einzuschalten ... statt all solcher tausendfach geübter und harmloser Beschäftigungen begann diese Hand, immer größere Kreise auf ihrem Oberkörper zu ziehen. Kreise, die schnell ihre Brüste und den Venushügel erreichten und dann rasch und unaufhaltsam in sensible Zonen vordrangen.
Wie lange war das her? Vier Wochen? Sechs Wochen? Sie erinnerte sich, dass sie an jenem Abend in der Bahn einen jungen Mann gesehen hatte. Sehr groß, dunkelhaarig, mit dem leichten Schatten eines Abendbarts nach einem langen Arbeitstag. Eigentlich war er zu jung gewesen, sicher fünfzehn Jahre jünger als sie ... aber irgendwie sympathisch. Er hatte sie weder beachtet noch sonst etwas getan, außer mit müdem Gesicht in die Abenddämmerung zu starren. Danach hatte sie es sich gemacht. Später am Abend, als sie schon im Bett lag. Im Dunkeln.
Jetzt war alles zu sehen. Die hart werdenden Brustwarzen. Die leicht erregten, inneren Schamlippen. Wurde sie jetzt narzisstisch, gar lesbisch? Wurde sie geil, wenn sie eine nackte Frau sah, die sich ihren Mittelfinger in die Spalte schob? Der Gedanke lag nahe ... denn sie stand hier und beobachtete eine nackte Frau, die sich ihren Mittelfinger in die Spalte schob. Einen inzwischen feuchten Mittelfinger.
Natürlich sah man ständig irgendwo nackte Frauen, auch solche, die an sich selbst herumspielten, oder es zu zweit trieben, es zumindest andeuteten. Es gab Werbemotive mitten in der Stadt, die das in x Metern Größe zeigten. Es gab ganz normale Zeitschriften und Fernsehsendungen, in denen man das alles gezeigt bekam. Daran war nichts Geheimnisvolles mehr. Lesben wurden heutzutage Ministerin oder moderierten Fernsehsendungen. Und dann waren da noch Hermanns Pornos gewesen.
Hermann war acht Jahre her und hatte auch nur zwei gedauert. Er hatte ... nach ihrer persönlichen Einschätzung ... keinen übermäßig exotischen Geschmack. Nur wollte er eben keine Männer beim Sex beobachten. Daher waren seine Filme allesamt sogenannte Lesbenpornos. Also Filme, in denen ausschließlich Frauen miteinander Sex hatten, selbst wenn sie per Umschnalldildo für eine kurze Travestie ins
andere Lager wechselten.
Es hatte sie nie angemacht. Nicht abgestoßen, aber auch nicht erregt. Diese Frau im Spiegel vor ihr war die erste, die sie wirklich geil fand.
Nico S.