Ich erzähle euch mal eine kleine Geschichte dazu...
Als ich zweiundzwanzig war, chronisch pleite und immer wieder, neben meiner Arbeit am Krankenhaus noch Schichten an einer Tankstelle irgendwo im Ruhrgebiet schob, um über die Runden zu kommen, traf ich ihn...
Ja, ich stand da irgendwo im nirgendwo, mit meinem alten Opel an einer Landstraße und hatte einen Platten.
Es hatte sofort gefunkt... wenn er mich mit seinen strahlend blauen Augen angesehen hat, schmolz ich dahin... und tue es auch heute noch.
Wir haben relativ schnell geheiratet. Zu schnell, sagte meine Mutter. Unsere Hochzeit war kein Märchen in weißer Spitze. Es war das Standesamt, zwei Ringe und ein Polaroid, das mein Bruder gemacht hat.
Aber es fühlte sich an wie Feuer... laut, rücksichtslos, lebendig. Wir Glaubten, das die Liebe uns durch alles tragen würde. Und in diesen frühen Jahren konnte sie das auch relativ leicht.
Dann wurde das Leben schwerer. Die Kinder kamen zur Welt, wir machten uns Selbstständig und bauten unser Haus. Statt einfach an die Küste zu fahren, nur um das Meer zu sehen, fuhren wir zum Kindergarten und Schule, dann zur Arbeit, dann später zum Supermarkt... weil nunmal der Hunger der Kinder nicht wartet...
Wir stritten über Rechnungen, über seine späten Arbeitszeiten, darüber, dass er zu müde war, um bei der Wäsche zu helfen...
In manchen Nächten waren die einzigen Worte, die wir wechselten, ein ins Dunkel gemurmeltes „Gute Nacht“ und ein Kuss.
Aber die Liebe findet einen Weg, sich in den Ritzen zu verstecken. In dem Butterbrot, das ich ihm einpackte, mit kleinen Liebesnachrichten, einem extra Keks, „einfach so“. In der Art, wie er meinen alten Opel in der eiskalten Einfahrt reparierte, damit ich am nächsten Morgen die Kinder zum Kindergarten und zur Schule fahren konnte, in der Stille, in der wir beide zu müde zum Reden waren, aber trotzdem auf dem Sofa aneinander lehnten...
Da wurde mir klar, dass die Liebe kein Feuerwerk mehr war, sie war das stetige Summen eines Motors, der uns am Laufen hielt.
Nur diese ganz kleinen Auszeiten, die wir uns immer wieder gönnten, waren ein Lichtblick und die Highlights... diese sexuellen Aktivitäten, wie Clubbesuche oder entsprechende private Partys waren eine Art Rettungsanker für uns und unsere Sehnsüchte...
Dann kamen die stürmischen und schmerzhaften Jahre... unser Leben wurde mehrfach komplett auf den Kopf gestellt und wir mussten uns jedesmal neu ausrichten. Wir waren in dieser Zeit oftmals hart an der Kante... manchmal auch drüber... nicht nur emotional, auch finanziell.
Die Kinder trugen gebrauchte Kleidung, und ich kannte es ja von meinen Eltern, wie man einen Topf Eintopf für drei Tage streckt. Das hätte uns brechen sollen. Aber jedes Mal, wenn ich ihn über den Küchentisch hinweg ansah, dachte ich... "Wenn wir das überstehen, überstehen wir alles".
Als die Kinder erwachsen waren und auszogen, war unser Haus auf eine seltsame Weise still. Der Wäschekorb blieb leer, keine Schuhe an der Tür... nur wir beide, die umeinander kreisten, immer noch vereint und zum Glück hatten wir die Sprache des „Wir“ nicht verlernt.
Und dann, stellte uns das Leben auf eine neue Probe. Corona... Monatelang sahen wir die Kinder kaum, nur ihre Gesichter in stockenden Videoanrufen.
Ich wurde krank, so schlimm, dass er jede Nacht an meinem Bett saß, die kühle Hand auf meiner Stirn. Wie damals, in den schlimmen Zeiten, als ich im Koma lag und er tagelang an meinem Bett gesessen hatte... er ging nicht weg... lies mich nicht allein...
Als es mir besser ging, hielt er mich im Arm und wir weinten beide wie kleine Kinder...
Komischerweise, irgendwo in all dieser Stille fanden wir wieder viel enger zueinander...
Wir neckten uns wie früher und lachten dann, bis uns der Bauch weh tat...
Die Stille zwischen uns fühlte sich nicht mehr schwer an... sie fühlte sich verdient an.
Jetzt sind wir beide fünfundfünfzig, haben falten, seine Haare sind gewichen, seine Hände sind rau von den vielen Jahren Arbeit... aber wenn er sie in meine legt, merke ich, dass sie immer noch so passen wie an dem Tag, als ich sie zum ersten Mal hielt.
Rückblickend, blieb unsere Ehe nie in einer Phase. Sie war Feuerwerk, dann Überleben, dann Wiederaufbau, dann Wiederentdeckung. Sie war ständig in Bewegung.
Ich werde manchmal gefragt, was das „Geheimnis“ ist...
Die Wahrheit ist, es gibt keins!
Es bedeutet nur, jeden Tag aufzuwachen und sich für denselben Menschen zu entscheiden. Auch wenn es schwer ist, auch wenn es vielleicht langweilig ist und auch wenn das Leben versucht, dich auseinanderzureißen.
Denn in der Liebe geht es nicht darum, Stürme zu vermeiden. Es geht darum, im Regen zu stehen, dieselbe Hand zu halten, die man hielt, als der Himmel klar war und die Sonne schien... und zu sagen... „Wir sind immer noch hier... wir sind immer noch WIR...“
Ela
 
		 
		
		
	 
			
									
		




