Aber mittlerweile habe ich manchmal den Eindruck, dass man damals die Themen: "Oben ohne am Textil-Strand" oder im Sommer mal "darunter ohne einen BH" deutlich lockerer betrachtete...
Dem war absolut so!
Ich war in dem von dir angesprochenen Zeitraum (späte achtziger bis frühe neunziger Jahre) im Grundschulalter, und habe im Familienurlaub an den Stränden der (west-)deutschen Nord- und Ostseeküste stets mit großer Faszination junge Frauen, geschätzt in ihren Zwanzigern, beim Sonnen oben ohne beobachtet.
Und nicht nur das, natürlich habe ich sie auch imitiert, bin selbst nur im Bikiniunterteil am Strand herumspaziert, und habe mir dabei vorgestellt, Brüste zu haben.
Als die dann tatsächlich zu wachsen begannen, hatte ich mit oben ohne allerdings erst mal überhaupt nichts mehr im Sinn, sondern kamen sie intuitiv zunächst sorgfältig unter Verschluss!
Und auch nach der Hochphase der Pubertät blieben meine Gefühle durchaus ambivalent:
Einerseits faszinierten mich die Erinnerungen an die barbusigen jungen Frauen am Strand, und wollte ich das "irgendwann" auch selbst machen.
Andererseits war da aber, wenn ich gemeinsam mit Gleichaltrigen im Freibad oder am Badesee war, immer irgendwie die Angst:
"Was, wenn die jetzt auf einmal auf die Idee kommen, ihre Bikinioberteile auszuziehen? Wie stehe ich dann da, wenn ich dabei nicht mitmache? Ich würde hier und jetzt aber nicht mitmachen wollen!"
Es kam jedoch nie jemand auf die Idee. Mittlerweile schrieben wir damals die Mitte der neunziger Jahre, und nackte Brüste gab es zwar quasi jede Nacht im Programm diverser privater Fernsehsender, aber weit und breit nicht mehr an realen Stränden, Badeseen u. ä.
Meinen ersten tatsächlichen Gehversuch nicht nur oben ohne, sondern aus einem spontanen Impuls an Ort und Stelle heraus dann sogar gleich ganz (!) ohne, unternahm ich schließlich mit fast 19 - ohne Begleitung, und generalstabsmäßig durchdacht und vorbereitet, an einem extra zu diesem Zweck außerhalb der Feriensaison zu einem Tagesausflug aufgesuchten Badestrand in den Niederlanden, über hundert Kilometer von zuhause entfernt.
Wetter- und wassertemperaturbedingt war es kein großer Spaß, tatsächlich war ich neben einigen wenigen Spaziergängern der einzige sozusagen "Badegast" am Strand, an einem kühlen und wolkigen Tag zu Beginn eines verregneten Sommers. Vergleichsmöglichkeiten mit der Freizügigkeit junger Niederländerinnen ergaben sich dementsprechend nicht.
Ein gutes Jahr später entschied ich mich zur Überraschung meiner Eltern, die mir zum bestandenen Abitur geschenkte Reise nicht gemeinsam mit einer oder mehreren Freundinnen irgendwohin zu unternehmen, wo junge Leute unter südlicher Sonne gerne ausgelassen feiern, sondern lieber im Spätsommer allein an die Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommers zu reisen.
Die Reise sei für mich ideal, um vor Beginn eines völlig neuen Lebensabschnitts - Studium in einer mir bisher fremden Großstadt - noch mal die Vergangenheit Revue passieren zu lassen, den Kopf frei zu bekommen und Kräfte zu sammeln, war meine offizielle Erklärung für meine unerwartete Wahl.
Und zum Teil stimmte das sicherlich auch, aber letztlich ausschlaggebend war natürlich noch etwas ganz anderes ...
Diesmal spielte das Wetter mit, es war auch im September noch herrlich sonnig und warm, und an vielen schönen Tagen, die ich völlig nackt am Strand verbrachte, beobachtete ich insbesondere folgendes:
- Während an westdeutschen Stränden Textilbader und FKKler so sauber voneinander getrennt waren, wie noch bis in die 1960er hinein hell- und dunkelhäutige Menschen in Schulen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Restaurants usw. in den amerikanischen Südstaaten, interessierten die Beschilderungen von Stränden als "Textil" bzw. "FKK" in Ostdeutschland niemanden - jeder lagerte, wo er wollte, und zog dabei aus oder behielt an, was er wollte;
- obwohl Fernsehberichte über FKK regelmäßig gerne suggerierten, es handelte sich dabei um eine aussterbende, überwiegend von Rentnerinnen und Rentnern sowie schrulligen bis skurrilen Männern praktizierte Vorliebe (zum Glück fanden sich aber immer noch ein paar attraktive junge Leute, die für die entsprechenden Berichte nackt vor die Kamera getreten waren ...), tummelten sich an ostdeutschen FKK-Stränden weibliche wie männliche Personen zwischen 0 und 99, in allerlei erwartbaren (Pärchen, Familien), vielleicht auf den ersten Blick etwas überraschenden (gemischte Cliquen) bis hin zu äußerst bemerkenswerten Zusammensetzungen (Großeltern mit Enkeltochter bereits deutlich sichtbar in der Pubertät!);
- unter weiblichen Personen ab der Pubertät jedoch gab es praktisch nur die beiden Optionen Badeanzug/beide Bikiniteile oder ganz nackt, für die Variante, sich nur bis auf das Bikinihöschen auszuziehen, entschied sich meiner Wahrnehmung nicht eine einzige.
Mit mittlerweile ausgeprägt positivem Körpergefühl und Selbstbewusstsein versuchte ich dann später, wir schrieben immer noch die nuller Jahre, auch manchmal, es in Gesellschaft von Studienfreundinnen z. B. an textilen Badestellen an Seen oder Flussufern zu initiieren, dass wir unsere Bikinioberteile ausziehen - aber das endete jedes Mal in einem Fiasko:
Schon in Reaktion auf den wörtlichen Vorschlag wurde ich bloß schräg angeschaut, wenn ich selbst es dann tatsächlich tat, löste das entsetzte Schnappatmung und gefauchte Fragen, ob ich "bescheuert" oder so sei, aus, von jungen Männergruppen in der Nähe gab es dumme Zurufe und/oder hämischen Applaus, und wenn ich nach einer Schamfrist mein Oberteil dann doch wieder anzog, eben weil es allein und in solcher Atmosphäre keinen Spaß machte, wurde das verbal mit schnippischer Genugtuung quittiert.
Und so habe ich mich eben daran gewöhnt und damit eingerichtet:
Entweder FKK - also ganz nackt - im Urlaub, in der Therme, in dazu ausgewiesenen Bereichen an Seen oder Flüssen, auf meiner Dachterrasse, allein, oder mit weiblicher, ebenfalls begeisterter, oder jedenfalls interessierter und aufgeschlossener Begleitung.
Oder eben Bikini mit Unter- und Oberteil bei entsprechenden Unternehmungen in gemischten Gruppen oder in männlicher Begleitung.
Oben ohne an textilen Stränden, Badeplätzen usw. ist meiner Wahrnehmung seit gut dreißig Jahren tot.
(Interessant finde ich es jedoch, dass gegen Vorschläge an Freundinnen, Arbeitskolleginnen, weibliche Bekannte usw., gemeinsam eine FKK-Therme zu besuchen, nur selten der Einwand kommt, man wolle sich dort nicht nackt zeigen.
Im Gegenteil, meine Prinzipien wiederum, dorthin erstens keine männlichen Begleiter mitzunehmen, und zweitens stets weitere Strecken zu fahren, um auch ungewollte Zufallsbegegnungen auszuschließen, stoßen vielfach auf Unverständnis.
FKK-Urlauben oder -Ausflügen in die Natur steht man demgegenüber für gewöhnlich sehr viel reservierter bis ablehnender gegenüber ...)