@ NicoS
Beispiele für das Thema Nacktheit in der deutschen Literatur:
Auf der Bühne in strahlendem Glanz ihrer jugendlichen Schönheit, splitternackt und vergoldet, die drei goldenen Mädchen, in edlen Stellungen zu Bronzekunstwerken sich formend. Ich will nur von der einen sprechen, die die Kunstwerke »Bacchantin« und »Wasserträgerin« darstellte. Es gibt absolut keinen vollkommeneren Frauenleib, und nur Gefühle der Rührung über dieses lebendige Kunstwerk Gottes kamen über uns alle. Da stand sie in ihrer adeligen Nacktheit und zeigte sich ohne Scheu dem ganzen, feierlich gestimmten Saale. Und zum Schlusse, als sie sich dankend tief verneigte, hatte man die Empfindung, daß alle sich vor ihr hätten verneigen sollen, der ersten wirklich ganz ganz tadellosen Frau, die sich als Kunstwerk öffentlich gezeigt hat in unserer Zeit. Ich möchte fast ein wenig pathetisch sagen, daß von dem goldenen Glanze dieser Haut ein Lichtstrahl ausgeht in die Dunkelheit der Welt und die Vorurteile aufscheucht wie Fledermäuse. Diese krankhafte Angst vor dem schönen Nackten, diese »reizbare Schwäche« unserer Welt! Man habe doch nur eine einzige Angst ... vor dem häßlichen Nackten! Ich habe es immer bemerkt, daß schöne Menschen weniger Schamgefühl besitzen als häßliche. Sie beleidigen eben niemand durch ihre Nacktheit und sie fühlen sich unbewußt im Einklang mit den idealen Plänen der Natur!
Altenberg: Märchen des Lebens
Sie war gebaut wie eine Gazelle. Seide und Sammt erhöhten nicht ihre Schönheit – – am schönsten war sie wahrscheinlich nackt.
Altenberg: Wie ich es sehe
Mein Leben war der unerhörten Begeisterung für Gottes Kunstwerk »Frauenleib« gewidmet! Mein armseliges Zimmerchen ist fast austapeziert mit Akt-Studien von vollendeter Form. Alle befinden sich in eichenen Rahmen, mit Unterschriften. Über einer Fünfzehnjährigen steht geschrieben: »Beauté est vertue«. Schönheit ist Tugend. Unter einer anderen:
»Es giebt nur eine Unanständigkeit des Nackten – – – das Nackte unanständig zu finden!«
Altenberg: Was der Tag mir zuträgt
Sie sah die weltentrückten Damen des Burne Jones, welche gleichsam bereits auf der Erde bloss mit den Zehenspitzen standen, ferner wunderbare ganz schlanke nackte Leiber in Marmor, verschiedene Dinge in Elfenbein und getriebenem Kupfer, Reliefs in Stahl und Gold, unendliche satte Wiesen mit vereinzelten Baumriesen, Wasser und Erde an Regentagen, die Sonne durch schwarze Baumkronen hindurch Adieu sagend, Teiche mit kerzengeraden Schwertlilien, Jungfrauen splitternackt auf Pferden, Blumen aus Japan. Ein Bild hiess: »Dame, sorgenlos auf einer Bodentenne.« Eines hiess: »Ich gab – – –.« Ein kleines zwölfjähriges wundervolles ganz nacktes Mädchen und eine fertige, aus dem Leim gegangene Frau mit einem Säugling an den welken Brüsten. Sie hatte gegeben, der Zwölfjährigen die Schönheit, dem Säuglinge die Kraft. »Sie gab –«, behielt wirklich nichts zurück.
Dann das Lieblingsbild: »Lady Godiwa.« Der Herr über Lady Godiwa sagte: »Ich will deine Armen in der Stadt vor Hungertod retten, wenn du nackt durch die Strassen der Stadt rittest!«. Lady Godiwa ritt splitternackt durch die Strassen der Stadt. Aber die englischen Bürger hatten sämmtliche Fenster und Thore geschlossen und verhängt und kein englischer Bürger erblickte die heilige Pracht ihres Leibes!
Altenberg: Was der Tag mir zuträgt
Arm und kleiderlos war, als ich sie geworben, das Mädchen;
Damals gefiel sie mir nackt, wie sie mir jetzt noch gefällt.
Goethe: Gedichte (Ausgabe letzter Hand. 1827)
Die Pantoffeln warf ich von mir, und so eine Hülle nach der andern; ja ich fand es endlich bei dem warmen Tage sehr angenehm, ein solches Strahlbad über mich ergehen zu lassen. Ganz nackt schritt ich nun gravitätisch zwischen diesen willkommnen Gewässern einher, und dachte, mich lange so wohl befinden zu können.
Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit
Nacktheit ist kein Erotikum, sondern Sache des Anschauungsunterrichtes. Je weniger eine anhat, um so weniger kann sie der besseren Sinnlichkeit anhaben.
Kraus: Anderthalb Wahrheiten
In den Vasenbildern, diesen unvergeßlichen Erinnerungen aus einer großen Zeichenkunst, ist die Umgebung (Haus oder Straße) nur genannt, gleichsam abgekürzt, nur mit dem Anfangsbuchstaben angegeben, die nackten Menschen aber sind alles, sind wie Bäume, die Früchte tragen und Fruchtkränze, und wie Büsche, die blühen, und wie Frühlinge, in denen die Vögel singen. Damals war der Leib, den man bestellte wie ein Land, um den man sich mühte wie um eine Ernte und den man besaß wie man ein gutes Grundstück besitzt, das Angeschaute und Schöne, das Bild, durch welches in rhythmischen Reihen alle Bedeutungen gingen, Götter und Tiere, und alle Sinne des Lebens. Der Mensch, obwohl seit Jahrtausenden dauernd, war sich selbst noch zu neu, zu entzückt von sich, um über sich fort oder von sich abzusehen.
Rilke: Aufsätze und Rezensionen
Nackt willst du mich sehen? Das möchte mancher. Ich bin schön, wenn ich nackt bin.
Schnitzler: Fräulein Else
(zu Schnitzler gibt es noch viele Zitate. Einige werde ich wohl noch in Stories verwenden)
baer