Zunächst einmal ein großes Kompliment, liebe beware, zu Deinem umfassenden, ehrlichen und grundvernünftigen Statement.
Ich kann es nicht lassen, dazu detailliert Stellung zu nehmen. Ich hoffe, die Leser finden das ebenso angebracht wie ich.
Zitat
Original von Beware
Liebe Literaturkritiker, professionell oder semiprofessionell,
liebe Akademiker, Deutschlehrer, Autoren und …
ach ja, dann gibt’s ja noch das gemeine Fußvolk,
Eine ganz nette Art, schon bei der Anrede auf die männliche Hybris in diesem Forum hinzuweisen.
Hoffentlich gibt's unter uns auch ein paar "Professionelle", bei Akademikern (Germanisten gar) bin ich mir ziemlich sicher, Deutschlehrer weiß ich nicht. Ab und zu wird dieser "Ehrentitel" allerdings taxfrei verliehen. Immer noch besser als "Pauker" oder "Oberlehrer-Stellvertreter!"
Fußvolk könnte es ruhig mehr geben...
Zitat
Original von Beware
Eure Zitate sind grandios, Ihr vergleicht Euch mit Ranicki und fühlt Euch wie das Literaturquartett in Person. Respekt.
Endlich kann auch ich, Abitur, - aber das heißt ja nichts in unseren Landen, siehe Pisa- Studie - verstehen, dass Kritik gar nicht gleich Kritik ist. *ZWINKER*
Kleiner Einwand: ein Quartett, auch das literarische, besteht, wie der Name bereits sagt, aus (genau) 4 Personen! Da hätte ich jetzt schon gerne von Dir gewußt, beware, wer für Dich Marcel Reich-Ranicki, wer Hellmuth Karasek, wer (noch spannender) Sigrid Löffler und (Tusch) wer der Überraschungsgast ist?
"Als Literaturkritiker hingegen wird demnach angesehen, wer – häufig nach entsprechend geisteswissenschaftlichem Hochschulstudium – nachweislich alle Formen der Literaturkritik anzuwenden vermag, sich dabei u. a. im umfassenden Maß auch auf die Literaturgeschichte aller als relevant erachteten Literaturen bezieht und z. B. in einer allseits anerkannten, überregional vertriebenen Zeitung – sei es ausschließlich als Autor oder als Redakteur oder gar Leiter der Literaturredaktion – samt der damit verbundenen Vernetzung mit anderen Publikationsorganen über mehrere Jahre hinweg festangestellt wurde. Ein Literaturkritiker wie Marcel Reich-Ranicki hat neben seinen Rezensionen u. a. auch mehrere Monografien zu einzelnen Autoren und ihren Werken verfasst und erlangte nicht zuletzt mit seiner Sendung „Das literarische Quartett“ einen derart hohen Grad an Bekanntheit, dass ihm die meist pejorativ-ironisch aber durchaus auch respektvoll gemeinte Bezeichnung „Literaturpapst“ zuteil wurde."
Auf jeden Fall gilt dort das Motto:
„Wir werden über Bücher sprechen, und zwar, wie wir immer sprechen: liebevoll und etwas gemein, gütig und vielleicht ein bisschen bösartig, aber auf jeden Fall sehr klar und deutlich. Denn die Deutlichkeit ist die Höflichkeit der Kritik der Kritiker.“ (Marcel Reich-Ranicki im Literarischen Quartett am 18. März 1993)
(Höre ich eti und Nico klatschen? )
Zitat
Original von Beware
"Sie dient dem Leser… " lese ich. Wunderbar.
Bei durchschnittlich 2000 - 5000 Lesern pro Geschichte ist das ein enormes Publikum.
*Beifall klatsch*
Vorausgesetzt alle diese User lesen tatsächlich in diesem Forum die Kritiken.
Die gemeinen Leser interessieren mich (im Zusammenhang mit der Kritik) eher am Rande. Ich kenne sie nicht. Sie konsumieren lediglich. Oder auch nicht. Je nach Gusto.
Und eine schlechte Kritik heißt nicht, dass sie nicht lesen, im Gegenteil. Ein schlimmer Verriss macht neugierig. In uns allen schlummert eben ein kleiner Voyeur. *ZWINKER*
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Die "gemeinen Leser" sollten aber den Kritiker interessieren. Ihr Hirte, Anwalt und Sprachrohr müßte er sein!
"Neben den bereits unter Entwicklung der Literaturrezension erwähnten Onlineportalen für laienhafte Lesermeinungen haben sich aber auch sehr ambitionierte Portale für Rezensionen herausgebildet. Darunter sind ehemalige oder noch aktive Freie Mitarbeiter, die ihre bereits in den Printmedien veröffentlichten Rezensionen im Internet archivieren und damit der Öffentlichkeit über den Tag des Abdrucks hinaus unentgeltlich zugänglich machen. Ferner gibt es Meta-Portale, die teils von Hochschulen, teils von Suchmaschinen aber auch auf private Initiative hin entwickelt wurden, um wiederum Links zu beachtenswerten Rezensionsportalen aufzulisten."
Zitat
Original von Beware
Also weiter:
"… und nicht dem Autor". Moment mal…
Ich kann nur für mich sprechen. Die Kritiken zu meinen und auch zu anderen Geschichten helfen mir persönlich weiter, sie beeinflussen mich.
Ein Lob motiviert, eine Kritik spornt mich an, ein Vorschlag (Struktur, Inhalt, Formatierung) lässt mich die nächste Geschichte unter anderen Aspekten schreiben, zumindest, wenn ich das vertreten kann.
Denn ich möchte mich weiterentwickeln.
Ein böser Verriss, eine (absichtliche) Fehlinterpretation beeinflusst mich ebenso.
Und möglicherweise verliere ich auch die Lust weiter zu machen, wenn meine Arbeit keinen Anklang findet.
Darum bevorzuge ich sachliche Kritik. Nicht brave, sie kann auch hart sein. Das was schlecht ist, soll nicht schön geredet werden. Aber ich möchte sie verstehen können. Denn sonst nutzt sie mir tatsächlich nicht.
Jemand der sagt: "Alles Mist.", hat nach gutem Recht seine Meinung hier kund getan. Kann sich dann offiziell Kritiker nennen. Aber letzten Endes ist auch die Kritik dann Mist.
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Das ist vielleicht der kleine Unterschied zwischen uns "Laienschreiberlingen" und "professionellen" Autoren. Wir brauchen Hilfe, Zuspruch und konstruktive Kritik viel dringender.
Den Mut verlieren sollte man nie, besonders nicht, wenn man so talentiert ist wie Du, liebe beware!
"Ein Verriss ist eine destruktive Kritik bzw. Rezension, die nicht selten mit den Mitteln der Ironie oder Polemik formuliert wird und den Gegenstand einer Diskussion in den wesentlichen Teilen seiner Ausführung und Zielsetzung als gescheitert ansieht. „Verrissen“ werden insbesondere im Feuilleton Werke der bildenden Kunst, der darstellenden Kunst, der Musik oder der Literatur, darüber hinaus verreißen Kritiker anderer Ressorts bzw. Medien z. B. wissenschaftliche Arbeiten, Gerichtsurteile oder auch Persönlichkeiten wie Politiker, Manager, Trainer, Quizmaster oder Blogger."
"Polemik (von griechisch À¿»µ¼¹ºÌ polemikós ‚feindselig‘ bzw. ÀÌ»µ¼¿Â pólemos ‚Krieg, Streit‘) bezeichnet einen meist scharfen Meinungsstreit im Rahmen politischer, literarischer oder wissenschaftlicher Diskussionen. Der Begriff hat historisch einen Wandel erfahren, die ursprüngliche Bedeutung von Polemik war Streitkunst, ein literarischer oder wissenschaftlicher Streit, eine gelehrte Fehde."
Die letzten beiden Zitate nach wikipedia.
Der Unterschied ist für mich von enormer Bedeutung!
Zitat
Original von Beware
Ich kann meine Persönlichkeit in eine Kritik mit einbringen, ich kann darauf hinweisen, dass ich meine Schuhe bei CDF kaufe, dass ich in meiner Freizeit gerne Fallschirmspringe oder meine Füße unterm Tisch stehen beim Schreiben. Das ist meiner Meinung nach Selbstdarstellung, weniger Kritik im Sinne von Ranicki und Co. Es ist also Zierde oder Beiwerk. Eigentlich überflüssig.
Ein Hinweis, wie: "… das kenne ich auch, ich schreibe selbst, und ich weiß wie schwer es ist da… "
ist nicht unbedingt unsachlich. Es ist menschlich. Es zeigt Verständnis für das Werk. Und es ist auch kein Schön-Reden, denn es kann durchaus harte Kritik folgen.
Eine Formulierung: "Ich schreibe selbst über…" klingt eher selbstverliebt und ist eigentlich nur noch mit einem Link/Verweis auf das eigene Werk zu toppen.
Unsachlich heißt, an der Sache vorbei, unpassend. Off Topic.
Egal wie schön oder böse eine Kritik formuliert ist, egal wie akademisch oder professionell sie untermauert ist… man sollte sich fragen, welches Ziel sie hat.
Den Leser abhalten? Das wird nicht klappen. *ZWINKER*
Den Autor ansprechen? Dann macht der Ton die Musik, sonst stoße ich auf taube Ohren.
Über Grundsätze diskutieren? … Cafe Eros
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Weise Worte, liebe beware! Bin gespannt, ob sie das Gehör der Angesprochenen finden!
Zitat
Original von Beware
Ist es nicht auch ein bisschen so, dass ich mit meiner Kritik mich selbst darstelle?
Beeinflusse ich nicht das Publikum je nachdem was ich wie formuliere?
Und was erreiche ich damit?
Will ich ein Werk niedermachen? Und damit ggf. auch den Autor?
Womöglich, damit ICH besser da stehe? Je weniger Konkurrenz…
Nutzt Kritik nicht manchmal auch dem Kritiker?
Ich, als Autor, wünsche mir Kritik. Also bitte meine Herren…, und auch Frauenmeinungen sind erwünscht. *ZWINKER*
Das sind meine schlichten Worte zum Thema Kritik.
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Damit hast Du den Nagel auf den Kopf getroffen.
Viele (auch meiner) Beiträge dienen zuerst einmal dem Herzeigen der eigenen Intelligenz und des eigenen Wissens. Das muß ja auch nicht grundsätzlich falsch sein. "Patronizing" sollte ich (man) aber vermeiden!
Nochmals herzlichen Dank für Deinen tollen Beitrag, beware!
baer