Erniedrigung von baer66

  • Link zur Story


    Nach etwa zweiwöchiger Abstinenz fand ich dieses interessante Kurzwerk des großen Meisters baer66.


    Nachdem er die Umlaut-Schwäche italienischer Tastaturen überwand und forsch ans Werk ging, stellte er, fabulierungsarm und prägnant folgenden Plot dar:


    Der hart arbeitende, nach Ende der Arpartheid in Zimbabwe geflüchtete Knecht, bekommt die Chance zur Rache an seiner adeligen Herrin, die ihn auf dem väterlichen Gut hemmungslos ausbeutete.
    Ein Schlangenbiss, seit dem alten Testament schon die Allegorie für den Verlust der Unschuld, bringt sie in die prekäre Lage, ihrem Diener Untertan zu sein.


    Eine insgesamt kurze, einprägsame Shortstory, in der die Erotik sehr kurz (vielleicht zu kurz!) kommt, aber die Stimmung, die Atmosphäre von Zwang und Ausgeliefertsein gut dargestellt wird.


    Fazit: Apulien regt zu kurzen, interessanten Ergüssen im typischen Stile des Autors B. an!


    Sechs Punkte im unanoymen - aber strenggeheimen - Ratingverfahren!


    wbw - mit besten Grüßen,


    claurel :)

    Varatio delectat. --- Euripides
    et: 
    Love is a stranger in an open car, to tempt you in and drive you far away. --- Eurythmics

  • Eine Baer Geschichte, dass merkt man. Er schreibt von den unterschiedlichsten Themen, aber sein Stil ist dennoch unverkennbar. Ja, eine gute Story, muss man schon sagen, sie ist gelungen!

  • Auf die Gefahr hin anzuecken,


    eine Mutter mit ihrem in gesundheitlich anscheinend höchster Gefahr schwebendem Kind zu erpressen, da regt sich in meiner Hose nix, aber dafür in mir selbst eine massive Ablehnung des männlichem HP, denn in so ein Charakterschwein möchte ich mich gar nicht hineinversetzen.


    Ich weiß, es ist nur eine Geschichte, die mir aber aufgrund dessen nicht gefällt.


    Jeder schreibt's anders, ich hätte bevorzugt, wenn die Mutter im Nachhinein fragt, wie sie ihm danken kann.
    Ich gebe zu, in diesem Fall hätte ich auch die Schikanen und den "Klassenunterschied" zu Beginn der Geschichte einfließen lassen und dann den Wandel zu "der wiederspenstign Zähmung" aus der Nötigung heraus.


    Naja, woraufhin wieder eine ellenlange Story entstanden wäre, was berechtigterweise nicht jedermans Sache ist.


    Es ist baers Geschichte. Dem einem gefällts, dem anderem nicht. Punktum.


    Peter




    -------
    [Alles was blau ist, habe ich im Nachhinein editiert.]

  • Als glühende Verehrerin Ernest Hemingways - die den Schmerz der Unfähigkeit, seinem prägnanten und präzisen Stil jemals auch nur von Ferne nahe kommen zu können, wohl niemals verwinden wird - bin ich natürlich auch eine große Liebhaberin von baers legendären "Miniaturen." :)


    Aber diese funktioniert leider schon vom Ansatz her nicht, weil die geschilderte Situation schlicht viel zu komplex konstruiert ist, als dass ein solch rigoros fragmentarischer Ausschnitt daraus allen Bezügen, Fragestellungen und Entwicklungen hinreichend gerecht werden könnte.


    Die politische und ökonomische Lage in Südafrika damals und heute, die Ausbeutung von Flüchtlingen, die überhebliche Ignoranz wohlhabender Kolonialherren, Sippenhaft, Vergewaltigung als Strafe, Inkaufnahme möglicher Kollateralschäden einer Nötigung, Opferung aus Liebe, Scham vor der eigenen Sexualität - es sind einfach viel zu viele Themenkomplexe, die die Geschichte anreißt und andeutungsweise miteinander verwebt.


    Das wesensbestimmende Charakteristikum der Short Story, die innere Geschlossenheit zwischen offenem Beginn und Ende, lässt sich auch bei mehrmaligem Lesen in keiner Weise herausdestillieren.


    Der Versuch lässt in der Hand des Lesers nur die sehr roh behauenen Versatzstücke einer spurenhaft postmodernen, in ihrer wirren Chaotik aber letztlich völlig ungreifbaren Kollage zurück, die ihm weder Antworten geben, noch wirklich Fragen stellen.

    ""There is hardly anyone whose sexual life, if it were broadcast, would not fill the world at large with surprise and horror." 
    (William Somerset Maugham)

  • Herzlichen Dank an alle, die sich die Muehe gemacht haben, meine neueste Miniatur zu lesen und zu kritisieren! Ich freue mich ueber Eure Bemerkungen.
    Insbesondere, weil ich nach mehrwoechiger Pause endlich wieder einmal eine Geschichte veroeffentlichen konnte!


    Ja, die apulische Hitze liess mich gestern in einen klimatisierten Raum fluechten und diese Skizze in die italienische Tastatur klopfen.


    Mir ging es ausschliesslich um den Aspekt der sexuellen Demuetigung, die von Gloria dann auch noch als lustvoll empfunden wird. Anstelle des kranken Kindes haette ich auch Hunger oder eine andere lebensbedrohende Situation waehlen koennen. Das suedliche Afrika erschein mir einfach (zeitlich) naeher als ein Schloss in Mitteleuropa vor 60 Jahren. Ich habe diese postkoloniale Welt in den 1970ern auch noch persoenlich erlebt (Windhoek, Salisbury, Johannesburg, Kapstadt). Mit 16 ist man noch leicht zu beeindrucken!


    Du laesst mich erroeten, Scharlachrot, wenn Du meinen Namen im selben Posting mit dem grossen Ernest Hemingway erwaehnst! Da kann ich aber leider nur verlieren!


    Es tut mir leid, wenn ich Deine Gefuehle verletzt habe, Peter, aber die Welt ist einfach nicht nur gut! Denk an Zza!


    Danke, Maestro! Immerhin habe ich Deiner Ansicht nach einen eigenen Stil! Darauf bin ich stolz!


    Wie schoen, dass Du die biblische Anspielung entdeckt hast, claurel!


    baer

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

  • Mich hat es nich so vom Hocker gerissen. Irgendiwe ist alles bekannt - von der Demütigung bis zu der sehr überraschenden Erkenntnis, dass es doch ganz erregend war...


    Ich glaube, dein Augenmerk lliegt eher in der Darstellung von Ereignisse, als in der Ergründung menschlicher Abgründe, auch wenn du sehr ambitioniert bist.


    Der Anfang ist problematisch, weil durch die fehlenden Anführungszeichen schon das Prägnante verloren geht - sicher, die Dialoge sind nicht schlecht, aber auch nicht überragend...


    Die Figuren kommen rüber, aber... es ist einfach zu klischee.


    Stilistisch war es in Ordnung, ein paar Wortwiederholungen waren drin, aber naja... es war angenehm zu lesen :D

    Kommentatorin aus Leidenschaft :-)

    Frei nach Erich Kästner (Theorie) und Klaus Mann (Praxis):

     Schreibe nur über Dinge, die du selbst erlebt hast. Aber pass auf, dass sich keiner wieder erkennt :P

  • Zitat

    Original von baer66
    Mir ging es ausschliesslich um den Aspekt der sexuellen Demuetigung, die von Gloria dann auch noch als lustvoll empfunden wird.


    In diesem Fall hätte ich an deiner Stelle ganz schlicht darauf verzichtet, irgendein Motiv des Vergewaltigers anzudeuten oder gar zu erörtern.


    Er ist ganz einfach da und hat die Macht, mit seinem Opfer zu tun, was er eben mit ihm tut. Punkt.


    Da du dich an anderer Stelle ja als Horrorfilmkenner bekannt hast, hier ein schönes Zitat aus einem zum Thema "Motiv":


    - You hear that Stu? I think she wants a motive. Well I don't really belive in motives Sid, I mean did Norman Bates have a motive?
    - No.
    - Did we ever find out why Hannibal Lector liked to eat people? DON'T THINK SO. See it's a lot scarier when there's no motive.
    (Es stammt - natürlich - aus Scream. ;))


    Gerade im Teenhorrorfilm ist das Motiv - es ist immer Rache - die überflüssigste Komponente der zum Kult erhobenen Handlungskonventionen (Umso erstaunlicher übrigens, dass selbst Scream sich dem trotz dieser klugen Beobachtung letztlich dann doch willig unterwirft und es als überflüssige "Entschuldigung" für das Gemetzel einspannt. ;))


    Einer der wenigen Teenhorrorfilme ohne "Motiv" ist Halloween, der allererste Teil der Reihe von 1978. Ich sah ihn mit fünfzehn oder sechzehn, allein in meinem Zimmer, spät abends auf Kabel 1.


    Dazu muss ich sagen, ich war eine hochintelligente (meine Klassenlehrerin schlug meinen Eltern mal vor, mich auf eine spezielle Schule für Hochbegabte zu schicken) und bis zur Bösartigkeit rebellische Jugendliche (meine Artikel für die Schülerzeitung über die damals in ihren letzten Zuckungen liegende Regierung Kohl musste ich auf Anweisung des die Zeitung betreuenden Lehrers regelmäßig umschreiben, damit sie gedruckt werden durften, weil sie ihm zu weit gingen).


    Trotzdem hat dieser ganz simpel gestrickte kleine Horrorfilm buchstäblich die Scheiße aus mir heraus erschreckt, obwohl und vielleicht gerade weil es kein "Motiv" gab.


    Denn ohne Motiv konnte ich nicht darüber wägen, dass dieses mich gar nicht betraf, ich also in Sicherheit war.


    Was ich sah war, wie ein maskierter Mörder eben völlig ohne Motiv Jagd auf Jugendliche wie mich machte. Und gerade weil er kein Motiv für seine Taten hatte, hätte auch ich eines seiner Opfer sein können.


    Und darum geht es im Teenhorrorflm ja schließlich: die Angst der Zuschauer, nicht das Motiv des Mörders.


    Wenn es dir nun in einer Geschichte darum geht, wie eine weilbliche Figur zu ihrem Entsetzen bemerkt, aus einer Vergewaltigung Lust zu gewinnen, dann ist jede Individualisierung des Vergewaltigers überflüssig bzw. sogar kontraproduktiv, weil sie vom eigentlichen Thema und der eigentlichen Hauptfigur ablenkt.


    Die Funktion des Vergewaltigers ist es nur, durch sein physisches Handeln einen psychologischen Prozess in seinem Opfer auszulösen, der im Mittelpunkt der Handlung steht. Er selbst ist somit bloß ein MacGuffin. Sich mit ihm aufzuhalten lenkt wie gesagt bloß vom Wesentlichen der Geschichte ab. ;)

    ""There is hardly anyone whose sexual life, if it were broadcast, would not fill the world at large with surprise and horror." 
    (William Somerset Maugham)

  • Ich hätte mir deutlich mehr Zeilen gewünscht, die z.B. in die Szene und Vorgeschichte einleiten, die die beiden Akteure äußerlich beschreiben und nicht zuletzt ein paar mehr Zeilen, die aus der Szene deutlich mehr als nur einen blow machen.


    So ist es mehr oder weniger nur ein Wortwechsel.


    Da bin ich von baer66 besseres gewohnt. Er hatte es wohl sehr eilig.

  • Ich versuch mal eine Selbstkritik nach genau 1 Jahr:


    Handlung gefällt mir immer noch, würde sie nicht weiter ausführen.
    Die Dialoge könnten besser sein.
    Der innere Kampf der Erpreßten sollte besser geschildert werden.


    Die Kritiken waren damals (zu) freundlich, aber die (anonyme) Bewertung nicht!
    Über 18.000 Leser finde ich toll!


    baer

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

  • Aufgrund des fast identischen Titels habe ich meine alte Geschichte nochmals gelesen.
    Da und dort geht es um Vergewaltigung und die Lust des Opfers.
    Interessant, daß ich damals kritisiert wurde (sogar von mir selbst), die seelische Not der Frau und die Begleitumstände nicht ausführlich genug geschildert zu haben.


    Die "neue" Erniedrigung zeigt, daß Angst (um das Kind) offenbar schon genügt, um fast alles über sich ergehen zu lassen.


    baer

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)