Aufklärung

  • Daran ist natürlich gar nichts "schlimm." ;)


    Wir haben uns bloß seit mehr als zwanzig Jahren (!) nicht mehr gesehen! Was weiß ich, wo sie z. B. eigentlich wohnt, und wie sie sich charakterlich so entwickelt hat?


    Oder ob sie sich überhaupt noch an mich erinnert?


    Wir waren vor einer Ewigkeit für eineinhalb oder zwei Jahre oder so mal gut befreundet, wurden dann durch einen Umzug getrennt, haben uns danach noch - einmal? Ach nee, doch zweimal - gesehen.


    Ich werde mich jetzt wegen dieser Frage bestimmt nicht auf die Suche machen. Wirklich nicht. ;)

    ""There is hardly anyone whose sexual life, if it were broadcast, would not fill the world at large with surprise and horror." 
    (William Somerset Maugham)

  • Eine Geschichte habe ich zwar nicht sofort parat – außerdem ist der Sommer eh zu Ende :( -, aber bei dem, was Louanne und Scharlachrot erzählten, kam mir der Gedanke, dass man diese realen Erlebnisse nicht in Form von erotischen Geschichten (mit Details) erzählen kann, weil die Akteure zu jung wären.


    Schon seltsam, welche Angst vor aufgeschriebener Jugendsexualität in diesem Land herrscht, obwohl es sie gibt und wir sie alle erlebt und praktiziert haben.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Es wäre vllt. schön sie aufzuschreiben, aber es ist ja wie so oft bei Geschichten, dass es auf Details ankommt. Und weit über 2 Jahrezehnte erinnert man sich natürlich gerne. Aber weiß man dann auch noch jedes kleine Details?
    Vllt. hat es auch nicht unbedingt mit Angst zu tun, wenn es nicht jeder hier aufschreiben will.
    Manche möchten sich an die Jugend nicht mehr erinnern, weil die Gegenwart einfach schöner ist (?)
    Nur so ne Vermutung......


    Wir können ja hier alle dafür sorgen, dass der Sommer nie zu Ende geht.
    ;)

    Die großen Augenblicke sind die, in denen wir getan haben, was wir uns nie zugetraut hätten.

  • Zitat

    Original von Louanne
    Es wäre vllt. schön sie aufzuschreiben, aber es ist ja wie so oft bei Geschichten, dass es auf Details ankommt. Und weit über 2 Jahrezehnte erinnert man sich natürlich gerne. Aber weiß man dann auch noch jedes kleine Details?


    Aufschreiben kann man solche Jugenderinnerungen schon, aber nicht veröffentlichen, weil die Akteure zu jung wären. Sex und Jugend, das geht in diesem Land vom Gesetz wegen nicht.


    PS: Den Sommer beim Weggehen aufhalten, das dürfte schwierig sein. Wenigstens scheint in München heute die Sonne, und wenn man den Wetterfritzen glauben kann, wird das bis Montag so bleiben.
    Mit steigenden Temperaturen bis 22 Grad. :D

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Zitat

    Original Erpan zu Louanne
    Aufschreiben kann man solche Jugenderinnerungen schon, aber nicht veröffentlichen, weil die Akteure zu jung wären. Sex und Jugend, das geht in diesem Land vom Gesetz wegen nicht.


    Das ist wohl leider so. Aber man müsste den Protagonisten ja kein konkretes Alter zuweisen oder könnte es auf 16 Jahre anheben.

  • Zitat

    Original von mausbacher
    Aber man müsste den Protagonisten ja kein konkretes Alter zuweisen oder könnte es auf 16 Jahre anheben.

    Das Alter anheben geht vielleicht von 13 auf 16, aber nicht von 6, wie in der Geschichte von Scharlachrot (Posting 05.07.2012 00:59), auf 16. Und das Alter gar nicht zu nennen ist auch nur möglich, wenn man auf Dialoge verzichtet und auch die Gedanken der Prots nicht wiedergibt, weil die notgedrungen das Kindliche offenbarten.


    Auch bei den Doktorspielen, wie ich sie erlebte, ginge das nicht: In unserer Nachbarschaft gab es viele Kinder aller Altersstufen. Damit die größeren Kinder Ruhe von den kleineren hatten, ging den Doktorspielen eine Prüfung voraus: Wer noch keine Schamhaare hatte, dürfte dabei nur das „Kind spielen“, was für dasjenige natürlich weniger spannend war, weil jeder erwachsen und damit "Doktor" sein wollte. Man kann sich vorstellen, wie dann gestritten wurde, ob der leichte Flaum des einen schon als Schamhaar zu werten war oder eben nicht. Wenn ich heute an die Szenen zurückdenke, dann muss ich immer lachen. Diese Unschuld und diese Ernsthaftigkeit im Spiel!


    Aber solchen Szenen in einer Geschichte zu schildern ist heute nicht mehr möglich. Nicht mit den Dialogen und den Details, die genannt werden müssten, um Geschichte glaubwürdig zu gestalten. Das wäre nach heutigen Begriffen Kinderpornografie.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • "Meine »erste Liebe« war Rosie Mischischek, gleichalterig mit mir, zwölf Jahre alt. Wir spielten täglich »Verstecken« auf den Stufen des Theseustempels im Volksgarten. Sonntags trug sie ein grün-seidenes Kleid, geputzt mit schmalen schwarzen Samtbändern, nackte rundlich-eckige Schultern, offene Locken und war überhaupt vollkommen. Wenn sie sich einbildete, ein besonderes Versteck hinter Säulen gefunden zu haben, so übersah ich sie absichtlich, lief an ihr vorbei, auf die Gefahr hin, für einen Dummkopf gehalten zu werden!


    Ihr Glück war mir eben damals alles.


    Eines Abends hörte mich meine wunderschöne Mama in meinem Bette schluchzen und weinen.
    »Was ist denn los?!«
    »Rosie Mischischek hat mir beim Weggehen heute nicht die Hand gegeben!« Das sprach sich herum. Frau Mischischek machte ihrem Töchterchen sanfte Vorwürfe: »Einmal interessiert sich jemand ernstlich für dich, und du reichst ihm beim Weggeh'n vom Theseustempel nicht einmal dein Händchen?!«
    Rosie hatte am nächsten Tag, obzwar es nur ein gewöhnlicher Wochentag war, das grüne seidene Kleid an mit den schmalen schwarzen Samtmaschen, nackte, rundlich-eckige Schultern, offene Locken, und ihr gewöhnliches süßes Wildkatzengesichterl.
    »Du hast dich bei deiner Mama beklagt, daß ich dir gestern beim Weggeh'n nicht die Hand gegeben habe?! Da hast du sie heute zweimal, so, und für morgen gleich auch, wenn ich vergessen sollte, dummer Bub!«
    Sie sah wunderbar erregt aus, eine kleine Furie, noch lieblicher, aparter als sonst. Sie sagte: »Mit dir spiele ich überhaupt nicht mehr ›Verstecken‹, du gehst absichtlich an mir vorüber, obwohl du mich ganz genau gesehen haben mußt! Glaubst du, daß das lustig ist für mich? Dummer Bub! Geh' und tratsche es wieder!«
    So endete meine »erste, zarteste, rücksichtsvollste Liebe« in meinem zwölften Lebensjahre. Alle späteren waren ebenso! Nein, ärger, kränkender."


    Peter Altenberg, Erste Liebe

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

  • Meine Eltern haben sich um das Thema gedrückt, jedenfalls in einem verbalen Sinne. Ich erhielt von ihnen mit 12 oder 13 ein Büchlein, in dem so ziemlich das Wichtigste wohl erklärt wurde, wobei ich mich da an keine Einzelheiten mehr erinnere bis auf die Tatsache, dass es hauptsächlich Text war und die unvermeidlichsten Bilderläuterungen Federzeichnungen waren - alles sehr jugendgerecht und modern nach damaliger Auffassung, aber mehr eben auch nicht.


    Im übrigen wurde über das Thema Sexualität bei uns zu Hause ganz selten und wenn, dann nur mit humorigen Umschreibungen gesprochen, wobei das wohl mehr der allgemeinen Zeit zuzuschreiben war als einer speziellen Verklemmtheit meiner Eltern. Die waren eigentlich ganz entspannt in ihrer Haltung - man redete nur einfach nicht darüber. So erinnere ich mich, dass mein Vater als Architekt eine Wohnung umzubauen hatte: Die Wohnung war für den Sohn des Bauherrn und seinen Partner, und ich habe in diesem Zusammenhang bei uns nie etwas anderes gehört als ganz neutrale Formulierungen - und das war Mitte der 1960er, als männliche Homosexualität noch strafbar war! Ebenso war bei meinen Eltern Nacktheit kein Tabu; zu Hause liefen wir bei entsprechenden Gelegenheiten (Waschen, Schlafengehen, Umziehen etc.) immer ohne Scheu nackt herum, und meine Eltern waren auch schon immer eifrige FKK-Anhänger, auch wenn das in Westdeutschland ja bis in die 1970er hinein schwer umzusetzen war und bei uns nur an ganz wenigen Plätzen ging.


    Ich bin also in "technischer" Hinsicht zu Hause recht ordentlich aufgeklärt worden. In der Schule sah es da schon trauriger aus. Wir hatten eine Biologielehrerin Typ alte Jungfer (und von Haus eigentlich für Mathe zuständig), als das Thema auf dem Lehrplan stand, und sie wurde selbst knallrot und hat sich dann etwa 2 Sätze abgemüht zu dem ganzen Thema - allerdings erst, als wir Schüler längst in einem Alter waren, wo die "Schulhofaufklärung" schon durch war.


    Generell bin ich aber in einer sehr behüteten Umgebung aufgewachsen; selbst unter uns Altersgenossen war Sexualität in jeder Dimension selten und kaum in die Tiefe gehend Thema. Ich glaube mich z.B. zu erinnern, dass ich z.B. erst mit 14 oder 15 erfahren habe, dass es so etwas wie Oral-Verkehr gibt, aber das ist alles lange her und ich würde keinen Eid darauf ablegen, dass ich da nicht was verwechsle.


    Nico S.

  • Zitat

    Im übrigen wurde über das Thema Sexualität bei uns zu Hause ganz selten und wenn, dann nur mit humorigen Umschreibungen gesprochen, wobei das wohl mehr der allgemeinen Zeit zuzuschreiben war als einer speziellen Verklemmtheit meiner Eltern.


    Ich denke, das geht vielen Eltern so.
    Und es ist noch nicht mal schlimm wenn man dabei was zu lachen hat - finde ich!


    Aber wenn man wirklich mal ein Problem sexueller Art hat, und kann DANN zu seinen Eltern kommen....dann muss das Verhältnis gut sein.
    Dennoch denke ich, hält man sich bei Rat und Tat in erotischen/sexuellen Dingen lieber an Geichaltrige. Ich denke allgemein fühlt man sich dann besser.


    Man hat das Gefühl: Eltern müssen nicht alles wissen :)


    Vielen Dank für Deine Worte, Nico!

    Die großen Augenblicke sind die, in denen wir getan haben, was wir uns nie zugetraut hätten.

  • Zitat

    Original von Louanne
     
    Wie denkt ihr an euere Aufklärung von früher zurück?


    Ja, schon das Wort "Aufklärung" war mystisch. Aufklärung worüber? Da gab es etwas ja gar nicht. Jedenfalls nicht aus dem Erleben.


    Aufgeklärt worden bin ich durch meine ersten Freund-und Liebschaften. Das was im Schulunterricht lief, was in der Zeitung (Junge Welt, Unter vier Augen) stand, war so abstrakt, das ich da keinen Bezug zu meinem Handeln herstellen konnte.


    Das Vorbild hat einfach gefehlt.


    Die ersten Pornobilder haben mich dann auch mehr erschreckt, als aufgeklärt. Das war vielleicht auch gut so.


    Wenn ich jetzt so zurück denke, an meinen ersten Kuss, das Gefühl einer weichen Brust oder einer feuchten Scham, dann zaubert mir die Erinnerung ein breites Grinsen ins Gesicht.


    Sexualität war für mich in jungen Jahren so etwas wie Weltraum. Unvorstellbar. Geheimnisvoll. Und ich begreife bis heute nicht, warum? Also warum man Sexualität vor Kindern und Jugendlichen regelrecht verheimlicht, während Gewalt z.B. publiziert wird. Aber das ist eine andere Geschichte.


    Irgendwann kommt im Leben eines Erwachsenen ja die Stunde, wo man sich sagt," ich muss die Kinder aufklären." Weil man weiß, das dieses Thema mit der Geschlechtsreife aktuell werden kann, mit den entsprechenden Folgen.
    Jetzt einfach mal ein Buch oder einen Film mit dem passenden Inhalt vornehmen, das geht nicht. Alles zensiert. Also stochert man beim Abendbrotessen im Salat und quält sich einen ab, zu einem Thema worauf die Kinder sowieso keine Lust haben.


    Da wäre es doch viel einfacher, wenn die Kinder Sexualität sehen könnten (am Strand, in der Therme , im Schlafzimmer oder so) um dann die eigentlichen Fragen der Kinder zu beantworten.


    Aber da liege ich wahrscheinlich nicht so auf der gesellschaftlichen Linie. Was letztendlich ja auch nicht so wichtig ist, also ob man denn vorher aufgeklärt war.


    Adamit

  • Zitat

    Original von Adamit
    Da wäre es doch viel einfacher, wenn die Kinder Sexualität sehen könnten (am Strand, in der Therme, im Schlafzimmer oder so) um dann die eigentlichen Fragen der Kinder zu beantworten.

    Natürlich wäre das einfacher, aber unsere Gesellschaft macht nun mal ein Geheimnis aus der menschlichen Sexualität. In den letzten Jahrzehnten sind viele Tabus gebrochen, dieses ist aber geblieben, ja mehr noch, manche Aspekte der Sexualität wurden inzwischen gänzlich aus der Öffentlichkeit gedrängt: Die Sexualität der Jugend ist nicht mehr präsent, weil deren Darstellung mit hohen Strafen belegt ist, selbst wenn diese in fiktiver Form vorliegen.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Zitat

    Original Adamit 
    Da wäre es doch viel einfacher, wenn die Kinder Sexualität sehen könnten (am Strand, in der Therme , im Schlafzimmer oder so) um dann die eigentlichen Fragen der Kinder zu beantworten.


    Es gibt solche Orte, bspw. einen südfranzösischen Mittelmeerstrand. Frei zugänglich auch für Kinder wird dort offiziell Verbotenes mehr oder weniger geduldet – mittlerweile sogar in der Hochsaison ohne staatliches Eingreifen.