Das könnte ich und würde es vielleicht sogar machen, aber hier zeig niemand sein Gesicht.
Als ich mich angemeldet hatte, war mein Avatar ein Foto von mir, auf dem ich gut zu erkennen war. Kann es auch wieder tauschen. Mich wundert aber, dass hier alle so auf anonym machen. Ist doch nix verbotenes hier zu schreiben und über seine Vorlieben zu berichten.
Sollte zumindest nix verbotenes sein.
Entsprechende Einstellungen können z. B. auch etwas mit dem Lebensalter und den damit verbundenen biographischen Prägungen zu tun haben:
Ich gehöre dem Geburtsjahrgang 1981 an, und auch wenn meine Gleichaltrigen und ich von Soziologen bereits als sog. "Digital Natives" bezeichnet werden, ist das tatsächlich vollkommener Quatsch:
Wir sind noch komplett analog aufgewachsen, unsere Leitmedien als Kinder und Jugendliche waren gedruckte Bücher und Zeitschriften, UKW-Radio und lineares TV, unsere wichtigste Kommunikationstechnologie war das Festnetztelefon.
Erst als junge Erwachsene haben wir begonnen, "ins Internet zu gehen", wie man das damals nannte - man hat bewusst eine nicht nur technologische, sondern auch und vor allem psychologische Grenze überschritten, die Kommunikation online wurde strikt vom "realen Leben" unterschieden.
Für uns war das Internet noch weder immer und überall, noch weniger war es Bestandteil des Alltags - es war vielmehr eine Parallelwelt.
Das leider beklagenswert schlechte Benehmen eines gewissen Teils der Nutzer dieses Forums, die ohne Rücksicht auf Urheber- und Persönlichkeitsrechte fremde Fotos und Videos vervielfältigen und hier weiterverbreiten, Frauen auffordern, gefälligst eigene Nacktfotos zu zeigen oder das Forum zu verlassen, weil es für sie doch sonst keinen Grund gäbe, überhaupt hier zu sein, mit der lächerlichen Rechtfertigung, sie seien ihrer Einbildung eben "Doms", auf noch auf die billigsten und unästhetischsten Darstellungen ihrer Freiheit beraubter, genötigter und/oder erniedrigter Frauen mit stilistisch ordinären Einzeilern verbal abwichsen usw., ist erkennbar ein Ausfluss entsprechender Prägungen.
Und auch mich haben meine Geschichte und Erlebnisse natürlich geprägt, nur eben auf ganz andere Weise:
Ich bin in den oben beschriebenen neunziger Jahren in einem Dorf im katholisch-konservativen Teil der Norddeutschen Tiefebene aufgewachsen, und habe in dieser zeitlichen und örtlichen Umgebung meine Identität als Lesbe entdeckt, zu verstehen und zu akzeptieren gelernt - während ich mich parallel ausdauernden Mobbing aufgrund meines für ein Mädchen bzw. eine junge Frau überdurchschnittlichen Höhenwachstums, sowie meiner praktizierten Abneigung gegen die verbreiteten Kleidungsstile jener Zeit erwehren musste.
Es bedarf denke ich keiner ausführlichen Argumentation, dass und warum Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten für mich damals im Wortsinne überlebenswichtig waren. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie es gewesen wäre, wäre ich meinen Mitschülern auch noch nach der Schule, am Wochenende und in den Ferien über soziale Netzwerke, in denen ich unter meinem Klarnamen Bilder aus meinem Leben gezeigt hätte, ausgesetzt gewesen.
Einerseits entspannte sich mein Verhältnis zu Gleichaltrigen nach der Pubertät, ab einem Alter von etwa 16, 17 Jahren zwar etwas, und andererseits zog ich nach dem Abitur in eine Großstadt um, und dort zu studieren, begann mich dort erstmals meinem Umfeld vorsichtig als lesbisch zu erkennen zu geben, und lernte parallel auch das Internet kennen und benutzen.
Aber dennoch war das Internet für mich eben als gerade das wichtig und interessant, was es wie oben beschrieben damals - in den frühen zweitausender Jahren - noch war: eine Art Parallelwert. Ein Ort, an dem ich mich im Schutze der Anonymität noch weiter öffnen, einfacher Gleichgesinnte finden, und schneller und direkter mit ihnen austauschen konnte. Dieses Erleben und diese Wahrnehmung haben mich geprägt.
Eine neue Generation sieht das ganz erkennbar anders, weil sie schon ganz anders aufgewachsen ist - nicht nur mit dem Internet als immer und überall präsentem, selbstverständlichem Bestandteil ihres Alltages, sondern auch in einem anderen politischen und gesellschaftlichen Klima.
Meine Philosophie ist, dass jeder sein bzw. bleiben soll, was und wie er ist bzw. sein will, und ich möchte eben sein und bleiben, was und wie ich bin, wozu und wie meine Lebensgeschichte mich geformt hat.