Die Vorlieben und Interessen des Lesers sind vielfältiger, als man es gemeinhin vielleicht annimmt; sie müssen jedoch geweckt werden, und das ist einzig und allein die Aufgabe des Autors. An ihm und seiner Schreibe liegt es, vermeintlich Uninteressierte in den Bann seiner Erzählung, seiner Protagonisten zu ziehen.
Deine Laura hingegen soll als Ich-Erzählerin nicht personifiziert werden, als reine „Berichterstatterin“ in dritter Person auftreten. Genau das ist aber doch der Punkt! Es fehlen die Personen eins und zwei! Sie handeln nicht, werden zwar in den Mittelpunkt und durch leider nur mäßige, schulaufsatzartige Dialoge ab und an in Szene gesetzt, aber es fehlen aktive, selbstständig auftretende Protagonistinnen; sie können dem überlegenen Autor nicht aus der Hand gleiten, und der Leser sich bis zum bitteren Ende nicht mit ihnen identifizieren.
Die Identifikation mit den Handlungsaktiven ist aber das A und O einer jeden guten Story.
Natürlich kannst du gerne argumentieren, die übergroße Mehrheit der Leser im SB seien Männer, ihnen fehle eine tragende männliche Figur, entsprechendes Einfühlungsvermögen, und deine Geschichte sei nun mal auf die Verliebtheit eines jugendlichen Mädchens ausgelegt.
Es fehlt eine Figur, ja, aber nicht die männliche, es fehlt die tragende, die es dem Leser ermöglicht, in Lauras Verliebtheit vorzudringen, an ihr teilnehmen, sie (er)leben zu dürfen. Männer wollen nicht immer nur das Eine, sie wollen auch Sex, ja, aber ein Tag hat 24 und eine Woche 168 Stunden, alle Zeit der Welt also, sich auch auf die literarische Verliebtheit eines jungen Mädchens einzulassen.
Du lässt Laura aber erzählen und erzählen von ihren Erlebnissen, wie sie Vanessa kennenlernte, wie die beiden zur Bushalte gehen, wie sich das erste Treffen durch die anstehende Oh-Gott-Latein-Nachhilfe anbahnt und schließlich dann doch endlich stattfindet, mit ihr, ja (!) völlig unerwartet mit der geliebten Vanessa Richter, die wiederum zwar ein sehr freundliches, sympathisches, hilfsbereites Wesen besitzt, von ihren eigenen Klassenkameradinnen aber mehr oder weniger gemieden wird, weil sie sich aufgrund ihres möglicherweise bessergestellten Elternhauses und eines neuen Golfs III arrogant abhebt bzw. sich für etwas Besseres hält (ein Widerspruch in sich). Warst du mal auf einem Gymnasium? Arbeiterkinder sind dort nach wie vor in der Minderheit.
Ich lerne Vanessa nicht weiter kennen, sie wird lediglich beschrieben, und ich erfahre auch von Laura nichts wirklich Intimes, da sie nur berichtet und nicht handelt, in Gedankenspiele verfällt. Was fühlt sie, was geht in ihr vor, ist sie erotisiert von Vanessa oder nur verliebt, wie äußert sich das alles bei ihr?
Du lässt mich die beiden nicht fühlen. Laura erzählt und erzählt und erzählt von vergangenen und gegenwärtigen Zeiten, geht mit sich als 15-Jährige ins Gericht, weil sie es wagte, durch ein Schlüsselloch zu linsen, sich jedoch gerade noch rechtzeitig zur Räson ruft, um nicht noch weiter in Vanessas Intimsphäre eindringen zu wollen. Dabei sorgte der Architekt seinerseits doch extra dafür, aus eben diesem Schlüsselloch heraus bestens den Voyeur machen zu können! Wie absurd ist ein solches Handeln eines Teenagers, der gerade aufbricht, das Leben und die Liebe zu entdecken? Hier erzählt nicht Laura, hier erzählt eine erwachsene, moralisch gefestigte Kimberly (mit vielleicht nicht mehr so präsentem Gedächtnis an die eigenen Mädchenjahre)!
Du beschreibst Vanessa sehr ausführlich im Alter von ca. 15 Jahren (9. Klasse) – u. a. mit einem C-Körbchen. Gewiss mag das vorkommen und gewiss mag es auch vorkommen, dass junge Mädchen mit verhältnismäßig großen Brüsten auch zusätzlich noch schlank sein können, die Regel ist es allerdings nicht. Jetzt ist sie 19 und benutzt wahrscheinlich D- oder Doppel-D-BHs, ist schlank und rank?
Ich denke, du unterschätzt den SB-Leser, kategorisierst ihn zu sehr ein. Er mag, wenn es knistert – insbesondere auch ohne Sex und noch mehr insbesondere auch die Vorphase des Nacktseins – aber dadurch, dass du Laura bislang nur erzählen und erzählen und erzählen lässt, liest du eigentlich mehr oder weniger - in schöner, angenehmer Sprache - nur aus einem Tagebuch vor.
Wir sind hier eine erotische Community. Oder?
Ich mag Grass, Hesse, Böll und Schiller, sogar hin und wieder BRAVO-Erfahrungsberichte, aber alles zu seiner Zeit, alles am passenden Ort.
Du sprachst von einer Überarbeitung deiner Fortsetzungsgeschichte, von einem anderen Autor, einem Co-Autor, von Verbesserung und Perfektionierung. Die Erwartungen waren infolgedessen groß. Was ich las war allerdings eine gekürzte Fassung mit nahezu gleichem Text und leider auch denselben Dialogen – keine Weiterentwicklung der Autorin, keine in der Story.
Warum dann dieses erneute Aufrollen?