Meine unbekannte Geliebte, von correct

  • Diese Geschichte zum Anlass nehmend, möchte ich mit dir eine kleine Diskussion darüber führen, was das Verständnis des Wortes „verlieben“. angeht.
    Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass besonders dieser Ausdruck in den letzten Jahren einen Bedeutungswandel mitmachen musste und von den Menschen unterschiedlicher Generationen sehr unterschiedlich verwendet aber auch verstanden wir.
    In deiner Geschichte halte ich dieses Wort als Schlusspunkt zu setzen eigentlich für einen Ausdruck großen Interesses und körperlicher Anziehungskraft. Faszination und Begierde.
    Ich stelle mir gerade vor an irgendeinem Ort, den ich häufig besuche mit einer solchen Botschaft von einem mir völlig Fremden konfrontiert zu werden und bin mir absolut nicht sicher, welche Reaktionen und Gefühle dies in mir auslösen würde…


    Was bedeutet Verliebt für dich? und was ist dann die Steigerung „unsterblich verliebt“?

  • Interessante Frage!


    Für mich bedeutet Verliebtsein,
    o - sich zu jemandem hingezogen fühlen - durchaus körperlich.
    o - den Wunsch, diese Person näher kennenzulernen.
    o - den Wunsch, sie anzuschauen.
    o - den Wunsch, ihre Stimme zu hören.
    o - den Wunsch, sie zu berühren,
    o - den Wunsch, sie zu schmecken (ja, auch das!)


    Wenn du die Punkte oben zusammenfasst, siehst du, dass sich meine Beschreibung um die fünf Sinne dreht - plus einem wenig Gehirn (, das zumindest für mich das wichtigste Organ für Erotik und Sexualität ist.) ;)


    Verliebtsein ist für mich in hohem Maße ein Akt des körperlichen Begehrens - mit dem Geist als Steuerungs- und Reguilierungsmechanismus. Auch die romantisch- verklärte Liebe des 19. Jahrhunderts, selbst die Liedergüsse der Minnezeit hatten nichts anderes im Sinn - auch wenn sie es oft gekonnt hinter gekünstelter Sprache versteckten.


    "Unsterbliche Liebe?" Das scheint mir nur eine verbale Steigerungsformel zu sein.
    EDIT: Vielleicht auch eine Illusion?


    Aber vielleicht denken andere über das Thema ganz anders?

  • Diskutieren wir... doch da ich deiner Vorstellung bereits zustimmen würde in gewissen Punkten, so ist es müssig. Eine diskusion lebt von kontroversen Ansichten, doch mein Verständnis vom Verliebt sein, folgt in etwa deinem.
    Nur steckt darin noch ein Aspekt den du ganz ausser acht gelassen hast: die Hoffnung!


    Verliebtzusein bedeutet auch zurückgeliebt werden zu wollen. und es bedeutet die fehler des anderen auszublenden. Es ist Adrenalin pur und Vertraue in ein positives Ende. Hoffnung auf Liebe.


    Und mit Liebe hat verliebtsein dann doch wieder nichts zu tun, ausser das es der Einstieg einer solchen sein kann, aber nicht sein muss. Verliebt zu sein bedeutet zusammen sein wollen und es bedeutet alles das was in deiner Liste steht.


    Wie aber kann nun eine Beobachtung , wie du sie in dieser Geschichte beschreibst ein solches Verliebtsein auslösen?

  • Ich denke, in der Geschichte kulminiert alles auf das körperlich- sinnliche Erleben des stillen Betrachters in der Ecke des Cafés. Er wird - zuerst unfreiwillig - Zeuge eine Geschehens, in dessen Mittelpunkt die Frau steht. Seine briefliche Erzählung schildert die Szene aus seiner subjektiven Sicht, zeigt aber auch, wie er hineingezogen wird in der Betrachtund der sich zuspitzenden Situation. Von den fünf Sinnen werden das Auge und auch das Ohr angesprochen, und er reagiert - mit Verliebtsein - das heißt, dem Wunsch, auch die übrigen Sinne einzusetzen in der gegenseitigen Erfahrung zweier Personen.

  • Hallo correct,


    da ist Dir mal wieder eine wirklich schöne, sinnliche und erotische Geschichte gelungen. Respekt!


    Schön, mal wieder einen ganz neuen Ansatz hier auf SB zu finden, den des Briefes. Er setzt die Perspektive eindeutig, fokussiert auf die Gefühle einer Person - und macht so Lust darauf, sich die Wirkung beim Empfänger vorzustellen. Wenn der Brief den denn jemals erreicht. Das ist jetzt keine Aufforderung, die Geschichte fortzusetzten. Es wäre schade um diese Miniatur.


    Zur Diskussion mit monique zu "Verliebtsein":
    Ihn hat der Blitz getroffen, er ist aus seiner selbstgewählten Vereinsamung herausgerissen. Er fokussiert jetzt auf einen Menschen. Noch ist es nur Projektion - das ist der wesentliche Unterschied zwischen "verliebt sein" und "Liebe".
    Er projiziert Wünsche, Vorstellungen, Hoffnungen in ein Bild hinein. Er sieht seine Sicht des Beobachtenten, macht sich seinen Reim darauf - und nährt seine Hoffnung, die aus der Einsamkeit heraus führen soll. Der Wunsch nach Nähe, nach Verwirklichng ist da. Aber die/der Andere bleibt aussen vor, ihre Wünsche spielen (noch) keine Rolle.


    Ich teile also wohl die Auffassung von monique, was die Bedeutung von "verliebt" angeht.


    Und die Steigerung "unsterblich verliebt"?
    Das drückt Besessenheit aus. Das Gefühl, verliebt zu sein, hat Besitz von ihm ergriffen, hat alles was bisher wichtig erschien ausgelöscht. Eigentlich ein bedrohlicher Zustand! Das eigene Verliebt-Sein wid zur Forderung an das Gegenüber. Die eigene Existenz wird abhängig gemacht von der Erwiederung der Gefühle. Das ist aber gerade die Auslöschung der Steuerung durch den Geist, durch das eigene Bewusstsein, ist die Ablösung von Kontrolle durch Fixierung.



    Gruß Helmut


    PS: zu den verschwundenen Absätzen: schau mal den Kommentar von Monique zu einer der letzten anderen veröffentlichten Geschichten (Betrifft: Die Dachterrasse) an. Vielleicht hilft das ja.

  • danke Helmut!


    Ja der Ausdruck "unsterblich" unterstreicht die Heftigkeit seiner Gefühle und die von ihm empfundene Gewalt, die dieses Herrausgerissen werden für ihn mit sich bringt!

  • Ich hoffe du nimmst es mir nicht übel,wenn ich deinen Kommentar zum Anlass nehme noch heute eine Geschichte zu schreiben in Briefform und diese so schnell es mir gelingt, sie fertig zu stellen auch zu veröffentlichen!!!



    Übrigens habe ich gerade erfahren, dass sich einige der älteren SB-ler sehr darüber freuen, dass du endlich wieder Kommentare schreibst...ich hoffe das bleibt so, denn nach dem was ich mir habe sagen lassen sind sie immer eine Bereicherung.

  • Danke für die Blumen! Ich werde bis auf Weiteres nur sehr sporadisch Kommentare abgeben. Das hat aber nichts mit der Qualität der veröffentlichten Geschichten zu tun. Die sind in letzter Zeit wieder besser geworden, was sicher auch an Deinen Geschichten und Kommentare liegt.


    Zitat

    Ich hoffe du nimmst es mir nicht übel,wenn ich deinen Kommentar zum Anlass nehme noch heute eine Geschichte zu schreiben in Briefform


    Wieso sollte ich das übel nehmen??
    Deine Brief-Geschichte hat mir übrigens gefallen.


    Gruß Helmut