Auf die Gefahr hin, mich hier extrem unbeliebt zu machen...
Die Diskussion um Stus Geschichte Albtraum Gemeinschaftsdusche (Link) hat mich doch ins Grüblen gebracht...
Ich finde die Geschichte einfach nur widerlich und abartig, und möchte gar nicht darüber nachdenken, wer sowas schreibt und wem sowas gefällt.
Allerdings, die wütenden und empörten Reaktionen auf die Geschichte finde ich auch irgendwie beängstigend. Es ist wohl der natürliche Impuls fast eines jeden, die Löschung einer derartigen, offenbar völlig sinnbefreiten Orgie in Gewaltverherrlichung und Menschenverachtung zu fordern. Aber der Impuls ist gefährlich.
Er mündet ohne große Umschweife im Ruf nach Zensur. Jetzt werden sich einige dagegen verwahren, dass ich dieses Wort benutze, darauf beharren, sie seien vehemente Gegner jeder Zensur und unbedingte Streiter für die Kunst- und Meinungsfreiheit - aber irgendwo sei eben die Grenze, jenseits derer man nur noch von Krankheit und Perversion sprechen könne, und das falle nicht mehr unter Kunst- und Meinungsfreiheit.
Mit genau dieser durchaus feinsinnigen Differenzierung spielen sie aber den Gegnern der Meinungsfreiheit in die Hände. Auch diese geben ja gerne vor, ohne Wenn und Aber für Meinungsfreiheit zu sein, und sie gerade deshalb davor schützen zu wollen, für die Verbreitung von "Schmutz und Schund", der nichts mit einer schützenswerten Meinung oder Kunst zu tun hat, "ausgenutzt" zu werden.
Wo ist noch der Unterschied? Ist er nicht auf einmal nur noch graduell, aber nicht mehr prinzipiell? Ist er nicjt nur noch zwischen wohlmeinenden Liberalen auf der einen-, und völlig neurotischen Paranoikern auf der anderen Seite?
Denn so unterschiedlich ihre Ausgangsvoraussetzungen auch sein mögen, beide kommen zum prinzipiell gleichen Ergebnis: irgendwer ist irgendwodurch berechtigt, irgendwo eine Grenze dessen zu ziehen, was noch Kunst oder eine Meinung ist, und was nicht mehr - und diese Grenze enger zu ziehen, als dass nur substanzlose Beleidigungen und Verleumdungen anderer Menschen nicht mehr darunter fielen. Sie kommen zu dem prinzipiell gleichen Ergebnis, dass Kunst- und Meinungsfreiheit nicht nur gegenüber dem Schutz der Würde echter Menschen zurücktreten müssen, sondern auch gegenüber irgendwelchen Gummibegriffen wie "Geschmack", "Anstand", "Jugenschutz", "geistiger Gesundheit" usw.
Stus Geschichte dürfte bei fast jedem Leser einfach nur Ekel und Übelkeit auslösen. Aber das ist auch schon alles, und wer sie nicht liest, dem schadet sie auch nicht. Warum also danach rufen, ihn zu zensieren? Weil man sowas nicht lesen will? Das muss man auch so nicht. Weil niemand sowas lesen soll? Warum denn das nicht? Weil sie irgendwen entwürdigt, herabsetzt oder verletzt? Wen denn? "Debby", eine überhaupt nur marginal entwickelte fiktive Figur? Wie kann man die denn verletzen?
Oder geht es eher um Mädchen/Frauen allgemein und an sich? Ich frage mich schon, wie wenig Gespür man für die eigene Individualität haben und wie wenig man nur von der Welt und vom Leben wissen darf, um sich herabgewürdigt zu fühlen, wenn eine fiktive Person des eigenen Geschlechts, der eigenen Ethnie oder was weiß ich, in einer erfundenen Geschichte erniedrigt wird. Da habe ich ganz andere Probleme, kenne ich ganz andere Situationen und Gegebenheit, in denen/durch die ich mich erniedrigt fühle.
Zum Beispiel, indem mir abgesprochen wird, selbst entscheiden zu können, was ich als meinem ethischen Empfinden widersprechend ablehne!
Und weiter, wer sagt, oder wo steht geschrieben, dass Stu nicht doch irgendwie irgendwas mit dieser Geschichte aussagen will? Muss immer überall drunter stehen: "Und die Moral von der Geschichte ist:..."? Ist keine Aussage nicht auch irgendwie eine Aussage, kann mediale Gewaltverherrlichung nicht auch eine Form sein, sich mit Gewalt auseinanderzusetzen, ohne Gewalt damit in der Realität zu bejahen oder zu billigen? Und darf, wer nichts Wertschöpferisches zu sagen hat oder sagen will darum gleich gar nichts mehr sagen?
Wir leben in einer brandgefährlichen Zeit! Wenn es nach einigen psychotischen Brüsseler Ministerialbürokraten und der schwarz-roten Einheitsfront in Straßburg geht, wird aus genau den stets auch von Bürgerrechtlern pflichtschuldig anerkannten Phantombegriffen "Anstand", "Geschmack", "Jugendschutz", "Menschenwürde" pp. das BKA-Stoppschild demnächst nicht nur vor den zwei oder drei kommerziellen CP-Seiten im Netz (solches Material wird fast nur über Mail-Groups, P2P-Netzwerke etc. verbreitet, nicht über frei oder gegen Bezahlung zugängliche Internet-Seiten, diese Sperre ist also nutzlos - aber das ist ein anderes Thema...) erscheinen, sondern z. B. auch vor Angeboten wie FemJoy oder Body in Mind! Nicht nur die BRAVO und andere Jugendzeitschriften werden in ihrer bekannten Form aus den Zeitschriftenregalen verschwinden, sondern auch der PLAYBOY, FHM & Co.! Längst nicht nur die abgetrennten Erwachsenenabteilungen von Videotheken werden wie wie leergefegt sein, auch aus der anderen Abteilung verschwinden Filmreihen wie American Pie oder Eis am Stil spurlos.
Warum das? Na, ganz einfach: entweder verkörpern dort junge Erwachsene gleich ganz offiziell minderjährige Charaktere, oder zumindest könnten die Darsteller bzw. Models ihrem Aussehen nach ja noch minderjährig sein, und irgendjemand sich das beim Betrachten der Fotos bzw. Filme dann auch vorstellen!!!
Es sollte sich jeder fragen, ob er sich mit Rufen nach einem Vorgehen gegen "abartige", "kranke", "perverse", "menschenverachtende" o. ä. Medien in die Schar jener einreihen will, mit deren angeblich ausdrücklicher Einsicht und Zustimmung das passiert. Wer für die Meinungsfreiheit ist, der muss die Finger von Diskussionen lassen, wo deren angebliche Grenzen sind, und warum! Ist einmal anerkannt, dass Meinungsfreiheit Grenzen haben soll, dann ist alles verloren...