Zitat
Original von Scharlachrot
Worum es mir mit meiner povokanten Aussage jedoch ging war es, Nicos Verächtlichmachung der "schießwütigen", den Respekt vor dem menschlichen Leben vermissen lassenden Amerikaner zu relativieren.
Ein scheinbarer Verfassungspatriot eines Staates, dessen Verfassung Menschenraub zwecks Abrichtung zum Töten auf Kommando der Regierung legitimiert, sollte nicht spöttisch über die Verfassung eines anderen Staates richten, die das Recht auf Waffenbesitz zur individuellen Notwehr gewährleistet.
Ich merke schon, dass du in Diskussionen gerne austeilst. Die Frage, die sich mir bei solch liebenswürdigen Reaktionen immer wieder stellt, ist, ob du auch so gut einstecken kannst.
Zunächst ist der Besitz und folglich auch die Nutzung von Waffen in den USA ein Grundrecht. Das ist in Deutschland in dieser Form keineswegs der Fall, und die erwähnte Widerstandspflicht ist zwar nicht näher beschrieben, doch sie fordert auch keineswegs zwangsläufig Gewaltanwendung. Nun könnte man sich gewiss lange und gründlich darüber auslassen, in welcher Form denn dieser Widerstand bitteschön sonst vorzubringen wäre, doch ich halte solche Diskussionen für rein akademisch, solange sie sich in einem ausschießlich rechtstheoretischen Raum bewegen.
Als Wehrdienstverweigerer kann ich das Erlebnis des Grundwehrdienstes logischerweise weder loben noch wirklich nachvollziehen. Dennoch halte ich die von dir dafür gefundene Beschreibung ... sorry ... aber für übertrieben polemisch und im Kern an der Sache vorbeigehend. Vor allem bringt es die Diskussion an diesem Punkt nicht weiter, wenn man die historischen und psychologischen Hintergründe der militärischen Ausbildung heutiger Prägung - die bei uns harmlos genug ist; angebrüllt wird da z.B. ganz selten - außer Acht lässt. Das ergibt zwar recht dramatisch klingende Formulierungen, hilft aber weder zum Verständnis noch gar zu einer etwaigen Änderung.
Allerdings ... und da gebe ich dir in sofern recht, als ich mich in meinem ersten Beitrag vielleicht etwas ungenau bzw. stark verkürzt ausgedrückt habe ... ging es mir vor allem darum, das Andersartige der US-Kultur herauszustellen. Es hilft uns nicht, wenn wir das Denken und Verhalten von US-Amerikanern mit unseren Denkmustern betrachten oder gar beurteilen, und umgekehrt ist es genauso. Nachdem ich mich im Studium und auch immer wieder vor Ort sehr intensiv mit diesem Land, seiner Geschichte und seinen theoretischen Grundlagen auseinandergesetzt habe, ist mir bewusst, dass das Denken und die Sichtweisen der Menschen dort uns - jedenfalls dem deutschen Durchschnittsmenschen - vor allem ungeheuer fremd ist. Und die Sache wird nicht einfacher dadurch, dass die Menschen hüben wie drüben sich das ganz selten wirklich bewusst machen, sondern in den meisten Fällen davon ausgehen, dass Mentalität, gesellschaftliches Denken etc. in ganz vielen Punkten doch sehr ähnlich, vielleicht sogar gleich sind.
Der von dir geschilderte Zusammenstoß ist ein typisches Beispiel für die Folgen dieses Irrtums, und aus genau diesem Grund wäre es mein Anliegen gewesen, mit den betreffenden amerikanischen Eltern zu reden. Dass die Einschaltung von Behörden und Presse ein falscher Weg war, darüber sind wir uns wohl einig.
@ Erpan
Du weißt, dass ich die Kritik an den teilweise überzogenen, neokonservativen Jugendschutzvorstellungen in unserem Land teile. Allerdings ist - wenn wir nun den Vergleich zur USA setzen - das mit der Freiheit dort ein sehr schwieriger Begriff und eben nicht so leicht mit unseren Vorstellungen zu vergleichen. Rechtstheoretisch und in der Folge auch was die konkrete Rechtsprechung betrifft, hast du sicher recht. Allerdings ist gerade in punkto des genellen Jugendschutzes die amerikanische Gesellschaft weit restriktiver als unsere, wie z.B. schon die 21-Jahre Regelung für viele Bereiche zeigt. Ferner ist es richtig, dass man in den USA - gesetzt den Fall, man zieht in den richtigen Bundesstaat - für viele Arten der Freiheit von Lebensentwürfen und Äußerungen immer eine Nische finden kann. Doch es sind eben genau das: Nischen. An anderen Orten können die gleichen Freiheiten, nähme man sie sich, leicht lebensbedrohliche Folgen haben.
Nico S.