Nacktheit in der Kunst

  • Ich habe in den letzten Wochen ein paar Geschichten zur Nacktheit in der Literatur, der Malerei und der Musik geschrieben.


    Gerne würde ich mit Kunstliebhabern diese Kombination diskutieren. Es gibt einen unerschöpflichen Schatz zur Thematik des sb zu heben, finde ich.


    baer

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    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

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  • Nun, die Kombination "Nacktheit und Kunst" ist ganz gewiss unerschöpflich, allerdings auch schon bis zum Geht-nicht-mehr beackert worden. Zumindest was die eher "klassischen Bereiche" der Kunst, Malerei, Bildhauerei betrifft.


    Was die Litertur, vor allem die aktuellere Betrifft, da gäbe es allerdings bestimmt eine Menge zu erforschen bzw. zu sammeln. Vor allem, wenn es sich (wie ich es auch schon in dem Beitrag "ausgefallene Nacktbücher" angesprochen hatte), um "richtige" Nacktszenen handelt, bei denen es auch um das Nacktsein als solches geht, und eben nicht nur um Nacktheit im Zusammenhang mit einer Sexszene. Das dürfte in der Tat erst wenig untersucht worden sein.


    Bei Musik ist mir etwas unklar, was gemeint ist. Wenn ich Musik höre, weiß ich ja nichts darüber, ob die Musiker bei der Aufnahme nackt gewesen sind. Geht es Dir hierbei um Bühnen- /Live-Auftritte? Also in Richtung Performance-Kunst?

  • Ich meine schon die genau zum Themenbereich des sb passende Nackheit in der Kunst.


    Also nicht einfach eine nackte Frau auf einem Gemälde oder eine nackte Statue, sondern die voyeuristische Betrachtung einer Nackten wie z.B. "Susanna im Bade".


    In der Musik spielt sich die Erotik zugegebenermaßen meist im Kopf des Hörers ab, aber es gibt ja auch Programmusik, die eine Handlung beschreibt. Im Zusammenhang mit Filmen ist etwa der Bolero von Ravel zum Inbegriff der Begleitmusik zu einem Striptease geworden. Und dann gibt es ja noch die Oper. Der Schleiertanz der Salome von Richard Strauss etwa.


    Die Literatur ist natürlich das ergiebigste Gebiet. Ich verweise nur auf meinen Beitrag im Thread "ausgefallene Nacktbücher".
    Nacktszenen bei Schnitzler und Altenberg sind bereits klassisch und oft auch explizit zu den Bereichen Exhibitionismus, Voyeurismus und Macht/Ohnmacht. Von der zeitgenössischen Literatur fällt mir spontan etwa Ballerina von Barylli ein. Gerade durch Szenen wie die der Intimrasur in diesem Buch lasse ich mich zu neuen Geschichten anregen.

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  • Das bemerkenswerteste Gemälde, das den Richtlinien von Schambereich entspricht, ist für mich Manets "Frühstück im Grünen".

    Was für eine Geschichte hinter dieser doch sehr - interssanten, wenngleich bemerkenswert entspannten Konstellation steckt, hat mich immer schon interessiert....

  • Ein tolles Beispiel in der Tat!
    Dafür allein lohnt sich schon der Besuch des
    Musée d'Orsay.


    „Frauen badeten, Manet blickte gebannt auf das Fleisch derjenigen, die aus dem Wasser stiegen. „Es scheint“, sagte er zu mir, „dass ich einen Akt malen muss. Nun, ich werde ihnen einen Akt machen. Man wird mich verreißen. Soll man sagen, was man will!“
    Das Bild erklärt sich fast von selbst: Zwei Frauen veranstalten mit ihren Liebhabern ein Picknick. Der ursprünglich von Manet ersonnene Titel, „La Partie carrée“ (sinngemäß „Der flotte Vierer“) macht die Absicht, die das Werk ausdrückt, noch deutlicher.


    (Manet)


    Ähnliche Darstellungen:
    Marcantonio Raimondi: Urteil des Paris
    (womit wir bei einer meiner Geschichten wären)
    Giorgione/Tizian: Ländliches Konzert


    Danke für den anregenden Beitrag!


    baer

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  • Das Bild hat auch hier schon seit langem seinen Platz ;)
    Klick

    Hier gibt es Leute, die im Namen der political Correctness ehrliche Menschlichkeit vernichten um sich zu profilieren.


    So lange diese wandelnde Beleidigung hier sein Unwesen treibt, bin ich hier weg!
    Ciao

  • Ich hab mal die SB-Bildergalerie nach Meisterwerken der Malerei durchforstet.


    Gefunden habe ich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):


    25268 Boticelli, Venus
    23321 Giorgione/Tizian: Ländliches Konzert
    3717 Guercino, Susanna im Bade
    527 Manet, Le Déjeuner sur l'herbe


    Das ist schon anregend.
    Aber noch viele Meisterwerke warten!


    baer

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  • Nacktheit in der Kunst ist ja nichts Neues, dies vor allem dann, wenn sie im Gestalt eines gemalten Bildes daherkommt. Aber hier auf sb.de wird das anscheinend nicht so goutiert, denn dieses Bild wurde nach ein paar Wochen gelöscht, obwohl es für jedermann auf der Wikipedia zugänglich ist. Ich weiß das so genau, weil ich es im Oktober 2011 selbst hoch geladen habe, worauf eine lebhafte Diskussion entstand und auch der Hinweis kam, dass es das Bild lizenzfrei gibt.


    Wahrscheinlich hat sich jemand über die dargestellten Sklavinnen beschwert, vielleicht mit dem Hinweis auf die Menschenrechtskonvention, wie es hier zuweilen auch Geschichten geschieht. :D

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Zitat

    Wahrscheinlich hat sich jemand über die dargestellten Sklavinnen beschwert, vielleicht mit dem Hinweis auf die Menschenrechtskonvention, wie es hier zuweilen auch Geschichten geschieht.


    ...lol... @ Erpan

  • Das Bild ist seit 2003 unter Kunst im sb.
    Bild 3485, von Bike


    Offensichtlich war man damals nicht so zimperlich!
    ;-)


    baer

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  • Was macht ein Kunstwerk aus?


    Ist ein Bild eines großen Meisters Kunst, weil es nach 500 Jahren noch immer im Museum hängt? Oder geht es um die erstmalige oder unnachahmliche Fähigkeit, eine (erotische) Spannung aufzubauen (wie zB bei Manets Frühstück im Grünen oder bei Tintorettos Susanna im Bade)?


    Was macht eine Novelle oder ein Theaterstück zu einem großen literarischen Werk? Der klassische Stoff (am besten antik, von Sophokles oder Ovid) oder die meisterhafte Bearbeitung einer aufregenden Situation (Schnitzler, Tolstoi, Shakespeare) oder einfach die Schönheit der Sprache?


    Wieso ist Beethoven erotisch oder Ravel oder Verdi?


    Kunst kommt von Können und es sollte die ungewöhnliche Genialität als Maßstab herangezogen werden, meine ich.
    Was meint Ihr?


    baer

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  • Zitat

    Original von baer66
    Was macht ein Kunstwerk aus?


    Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Das steht so in der Wikipedia und ich bin der gleichen Meinung – mit Betonung auf dem Wort kreativ.


    Das trifft auf jeden literarischen Text zu, egal was er enthält. Aber nicht nur literarische Texte genießen das Prädikat Kunst, auch ein Telefonbuch kann es für sich beanspruchen – wenn es nicht nur das Ergebnis des Fleißes oder des Sammelns ist, sondern z.B. ganz anders gestaltet ist als die bisherigen Telefonbücher.


    Für Filme und Bilder gilt das auch, denn sie sind wie literarische Texte eindeutig das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Das gleiche gilt für alle anderen selbständige Werke wie z.B. Musikstücke, Konzerte, Theateraufführungen, etc.


    Inhalt oder (Un)Schönheit eines Werks haben jedenfalls keinen Einfluss darauf, ob das Werk als Kunstwerk anerkannt wird oder nicht. Das war mal, aber die sogenannten Kunstexperten haben sich zu oft geirrt, als dass man auf solche Urteile (z.B.: das ist nichts als Schmiererei) noch was geben könnte.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Kunst im heutigen, am häufigsten gebrauchten Sinn wurde begrifflich vor allem von Winckelmann, Lessing, Herder, Goethe und Schiller geprägt. In ihren ästhetischen Schriften beschreiben sie die menschlichen Hervorbringungen zum Zwecke der Erbauung als Kunst, sei es im Theater, in der Literatur, in der Musik oder die Werke „bildender Künstler“, auf die sich der Begriff schließlich zunehmend verengt. So hat sich Kunst- auch als Präfix für Wortbildungen wie Kunstausstellung, Kunstwerk, Kunstauktion etc. herausgebildet.


    Die Begriffe Werk, Original und Genie als Ausdrucksformen der Individualität des Künstlers wurden durch Kant geprägt. Man unterschied zwischen inneren und äußeren Bildern. Innere Bilder waren zum Beispiel Sprache, Vorstellungen und die Ideen, äußere hingegen Einrichtungsgegenstände, Bauwerke oder handwerklich gefertigte Produkte.


    Blieben zuvor Konflikte um Kunst intern und waren beispielsweise patriotischer Natur (florentinisches Disegno contra venezianisches Colore) oder eine Frage des Geschmacks (Rubenisten contra Poussinisten, Streit der Anciens et Modernes etc.), so verweigern nun ganze Teile der Gesellschaft der Kunst ihrer Zeit die Akzeptanz. Es entwickelt sich eine Gegenmoderne, die ihre Ausdrucksformen in diversen der modernen Kunst entgegengesetzten Stilen sucht - z.B. durch neoklassizistische, andere historistische oder bewusst anachronistisch ausgerichtete Kunst. Dies kann als ein Protest gegen die Prinzipien moderner bzw. kontemporärer Kunst verstanden werden.


    zitiert aus:


    Erotische Kunst (Erotikon, pl. Erotika) umfasst literarische Texte, Bilder und andere Kunstformen (z.B. Filme) mit eindeutig erotischem Hintergrund.


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  • Meine eigentliche Frage ist aber:
    Was ist an Kunst erotisch?


    Spürt man das Genie des Künstlers im Kunstwerk?
    Weckt große Musik erotische Gefühle?
    Ist eine meisterhafte Darstellung einer sexuell anregenden Situation verführerisch?
    Erregt die literarische Schilderung erotischer Sachverhalte?


    baer

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  • These über die erotische Wirkung des Kunstwerks:
    "Je intensiver diese Wirkung ist, umso größer ist die künstlerische Qualität."
    (Fuchs, Erotische Kunst I, p 68 )

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  • Die These klingt gut, aber wie sollte das gemessen werden?
    Es gibt den Maßstab der Symmetrie und der Proportionen z.B. für "Schönheit"
    Daraus lässt sich evtl. eine Tendenz ableiten (So wie hier mit dem Rating oder den Kommentaren).


    Aber liegt die Erotik (und Schönheit) letztlich nicht doch immer im Auge des Betrachters?


    beware

  • Wie jedes kommunikative Phänomen (vergleiche auch die Komik) ist erotische Wirkung nicht kontextunabhängig zu erleben oder zu beschreiben. Zum Kontext gehören kulturelle Kodierungen und persönliche Biografie innerhalb dieser. Entsprechend der Vielzahl an möglichen kulturellen Kodierungen sowie der noch größeren Anzahl an Möglichkeiten eines Umgangs mit ihnen, ist eine einzige oder eindeutige Beschreibung nicht zu liefern: Dem Einen liegen die Dicken, dem Andern die Dünnen, Eine mag Bärte, die Andere Knaben, die Dritte Uniform. Manche Vorlieben unterliegen Tabus, und was Tabu ist, unterscheidet sich von Zeit zu Zeit und von Ort zu Ort. Was mir unvorstellbar erscheint, ist anderen lustvolle Fantasie oder Tat. Und umgekehrt.


    Olaf Nollmeyer


    Kurz: Die erotische Wirkung ist natürlich umgebungsabhängig. Darum ist es ja so faszinierend, wenn uns die Venus von Milo oder die Susanna von Tintoretto heute noch erotisch anspricht.

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  • "Der Stil, scheint mir, definiert die Distanz zwischen dem Text und dem Autor, so wie der Kleidungsstil jene zwischen dem nackten und dem angezogenen Menschen. Aber Literatur muß immer auch nackt sein, der Körper muß unter der Hülle spürbar bleiben, seine Wärme, seine Formen, seine Lebendigkeit. Was uns an großen Stilisten wie Thomas Man, Musil, Joyce - und auf komplizierte Weise auch an Robert Walser- brillant erscheint, ist vielleicht, daß ihre Sprache nie Selbstzweck ist, sondern ihren Gegenstand enthüllt."
    Peter Stamm, NZZ online 26.9.2009


    Der enthüllte Gegenstand des Textes oder die enthüllten Figuren einer Geschichte - charakterlich wie körperlich! Ein Thema für uns?


    baer

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  • 2006 war auf arte eine 4-teilige Serie über das Thema. Botticellis Venus, die nackte Schöne von Goya, Tizians Venus von Urbino, aber auch Picasso wurden als Beispiele für die nackte Frau in der Kunst besprochen. Eine Fülle von Ideen für Geschichten. Ganz ohne Zitate wird's aber wohl nicht gehen! ;)


    baer


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