Die letzte Woche

  • Joda, ganz großes Kompliment, Die Geschichte ist einfach nur klasse! Die Art der Detailbeschreibung, der erotisch höchst spannende Ablauf und die ausgesprochen gute Wortwahl haben höchste Punktezahl verdient! Danke und weiter so

  • Leider kann ich mich Giorgio nur teilweise anschließen. An vielen Punkten schimmert die gute Absicht durch, doch in der Realisierung könntest du noch ein, zwei ordentliche Schippen auflegen - wozu du durchaus in der Lage bist, wenn ich "Die letzte Woche" mit "Zivildienst" vergleiche.


    Zunächst hängt die ganze Idee ein wenig in der Luft: Der Mann gehört zum internationalen Top-Management, die junge Frau scheint auch zu arbeiten, doch sie haben einen Untermieter in der Wohnung? Klingt irgendwie ziemlich gewollt und künstlich. Der Untermieter entkleidet mal eben seine schlafende Vermieterin, und sie "schubst" ihn lediglich weg und fragt ihn, was das soll? Das wäre ... vielleicht ... noch eine akzeptable Eröffnung, wenn danach eine passende Vorgeschichte die Verhältnisse klären würde. So kommt es ebenfalls sehr herbeikonstruiert rüber und wirkt wie die Handlung in einem recht gewollten Bühnenstück.


    Überhaupt bleibt die Idee hinter der Story teilweise im Unklaren. Wir erfahren zwar, dass die Hauptfigur über das Erlebnis nachdenkt, doch der Inhalt ihrer Gedanken bleibt uns verborgen. Weshalb exponiert und exhibitioniert sie sich gegenüber Jake plötzlich? Und was will sie überhaupt? Und was will Jake?


    "Jakes Augen kleben förmlich an meinem Dekolleté. Ich tue so, als würde ich seine Blicke nicht merken, doch das ist nicht wahr. Seine Blicke heizen mich förmlich auf und entfachen eine Leidenschaft in mir. Mit immer neuen Posen versuche ich, seine Blicke einzufangen." So weit, so gut. Doch direkt danach geht es wieder ganz anders weiter: "Dass der Fernseher läuft ist eigentlich nicht mehr wichtig, doch Jake schaut immer wieder dorthin. Ich muss mir immer wieder etwas Neues einfallen lassen, um seine Aufmerksamkeit nicht zu verlieren."


    Was nun - fernsehen oder ins Dekolleté gucken?


    Weshalb dann die Einlassungen mit dem Pyjama? Bitte - welcher Untermieter würde sich ungebeten um die Schmutzwäsche seiner Vermieter kümmern?


    Das gemeinsame Spiel, die Direktheit von Jakes Handeln, die Selbstverständlichkeit jenseits allen Zweifels von beiden Seiten - alles spricht dafür, dass da ein oft geübtes und durch und durch inszeniertes Geschehen abläuft. Doch leider erfahren wir darüber nichts. Im Gegenteil, zu Beginn des 2. Teils präsentiert sich die Hauptfigur wie ein verwunderter Teenie, die das Geschehen in keiner Weise einzuordnen in der Lage ist:


    "Ich habe Jake vorgespielt zu schlafen und mich dann von ihm ausziehen und berühren lassen. Und das Ganze habe ich auch noch genossen. Habe ich damit eigentlich schon meinen Mann betrogen? Ich habe ja nicht mit Jake geschlafen. Er durfte mich ja nicht einmal zwischen den Beinen berühren."


    Äußerlich liest sich die stufenweise "Eskalation" der Entblößung vor allem im 2. Teil schon recht reizvoll. Doch der Gedankenkommentar bleibt unbefriedigend. Ist sie so naiv, dass sie meint, das Spiel immer so weiter treiben und doch jederzeit in der Hand behalten zu können? Will sie eigentlich überhaupt, was da geschieht?


    Fassen wirs nochmal zusammen: Ein junges, gut verdienendes Paar (2 Einkommen, keine Kinder) hat dennoch einen Untermieter. Was hier schon mal fehlt (oder hab ichs überlesen?) ist eine ... wenigstens ansatzweise ... Personenbeschreibung. Der Untermieter begrabscht die junge Frau, als ihr Mann in sicherer Entfernung ist. Doch statt ihn schlicht rauszuwerfen oder verhaften zu lassen, geht die junge Frau auf das Spiel ein und steigert es selbst immer weiter. Doch was das Abbild einer spannenden, persönlichen Entwicklung sein könnte, bleibt in jungmädchenhaft naiven Randüberlegungen stecken: 'Ups, hab ich jetzt eigentlich meinen Mann betrogen?' 'Darf ich nicht auch mal masturbieren, wenn mein Mann das vermutlich ja ständig macht?'


    Und der Gedanke, dass ein Mann wie Jake, der schon gezeigt hat, dass er bereit dazu ist, Hand anzulegen, sich am Ende nicht mit einer Runde Dame oder Romée zufrieden geben wird, kommt ihr auch in keinem Moment. Will sie Jake nun einfach heiß machen und ihn dann ordentlich flach legen? Oder nur ausgiebig mit ihm spielen? Oder ist sie vor allem dabei, sich selbst zu entdecken? Für jede dieser Möglichkeiten gäbe es Ansatzpunkte, doch leider tritt keine klar genug in den Vordergrund.


    Was die Story dringend bräuchte, wäre mehr innere Logik, eine Vorgeschichte, die schlimmsten Lücken des bisherigen Geschehens erklärt ("schon seit Jake bei uns wohnte, spürte ich, dass da mehr zwischen uns war, als seine höfliche, zurückhaltende Art auf den ersten Blick verriet ...") und eine Hauptfigur, die wie eine erwachsene, junge, moderne Frau denkt, empfindet und handelt und nicht wie die Theaterfigur eines Backfischs.


    Nun hoffe ich, dass ich dich nicht allzu sehr frustriert habe: Ich möchte dir vielmehr Mut machen, weiter und besser zu schreiben. Schau dir deinen "Zivildienst" nochmal an - dort stimmt alles! Du musst nun selbst entscheiden, ob du diese Story in den folgenden Teilen noch retten kannst, oder ob es nicht besser eine ganz neue Story wäre, an die du dich setzt.


    Jedenfalls toi toi toi :D


    Nico S.

  • Hallo Nico,


    da hast Du meine Geschichte ja ordentlich auseinander genommen... 8o ... und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass Du teilweise recht hast. :(


    An einigen Stellen bin ich in der Tat in dem was ich geschrieben habe oberflächlich geblieben und habe gerade festgestellt, dass ich beim Schreiben wohl längere Aussetzer an der Tastatur hatte. So sollte in dem Absatz, in dem ich Jakes Auslandspraktikum erwähne auch drinstehen, dass er der Sohn eines Managerkollegen in den USA ist und als Gefälligkeit aufgenommen wurde. So steht das in der Tat ziemlich nackt und erklärungsbedürftig da.


    Und die Einlassung mit dem Flecken im Pyjama ist zu schwammig geblieben. Die Flecken waren in der Früh noch nicht auf dem Pyjama und sie sind weiß und verkrustet. Es sollte maximal eine Andeutung sein und eine optionale "dreckige" Fantasie des Lesers ermöglichen. Die Andeutung war wohl zu schwach.


    Die Oberflächlichkeit der Gedankenwelt war hingegen von mir absichtlich gewählt. Es sollte lediglich eine leichtgängige, lockere und unkomplizierte Geschichte sein. Das steht ganz im Gegensatz zur Geschichte Zivildienst, die Du erwähntest. Die dortige komplexe Gedankenwelt mit den vielen inneren und äußeren Konflikten hat mich in eine Sackgasse für den letzten noch ausstehenden Teil laufen lassen. Unter anderem ein Grund, warum ich die längere Auszeit hier hatte. Ich habe das Gefühl der Geschichte, SB und mir noch den letzten Teil "schuldig" zu sein. Das nagt sehr an mir und diese Gefahr wollte ich von vornherein vermeiden. Vielleicht sollte ich über einen Mittelweg nachdenken... Ich werde nochmal in mich gehen.


    Auf jeden Fall vielen Dank für diese ausführliche Kritik.


    Gruß
    Joda

    Leben kann man nur vorwärts.
    Verstehen kann man es nur rückwärts.
     
    [SIZE=1]Soren Kierkegaard[/SIZE]

  • Der ausführlichen Kritik von NicoS kann ich nur zustimmen, aber zwei Anmerkungen:


    (1) 'Untermieter':
    NicoS schreibt: "Der Mann gehört zum internationalen Top-Management, die junge Frau scheint auch zu arbeiten, doch sie haben einen Untermieter in der Wohnung? Klingt irgendwie ziemlich gewollt und künstlich."


    Nein, nein, nein: ich könnte auf Anhieb eine Handvoll Beispiele nennen, wo das Szenario genau zutrifft. Manchmal ist das eine mehr oder weniger abgeschlossene Einliegerwohnung, manchmal wird wegen der relativ häufigen Ortswechsel im Management eine komfortable (und deshalb größere) Wohnung befristet angemietet.


    Auch dass die Frau 'arbeitet' (d.h. nicht NUR im Haushalt), kommt oft vor - nicht etwa weil's Haushaltsgeld nicht reicht, sondern - hmm - zwecks Selbstverwirklichung oder so. Geld sollte da kaum ein Thema sein.


    Die "Untermieter" sind oftmals Studenten oder Praktikanten, die von den ausländischen Abteilungen der Firma vermittelt werden, also ähnlich wie bei einem Schüleraustausch, oft auf Gegenseitigkeit. Da ergibt sich leicht ein relativ enger Familienanschluss. Und - je nachdem - ist das keineswegs ein 'sexfreier Raum' ;) 
    (ich sehe gerade: joda36 sagt das auch... sorry.)


    Fazit: bei dieser Geschichte bin ich ernsthaft ins Grübeln gekommen, ob sie wirklich 'frei erfunden' ist, oder - plaudert jemand aus dem Nähkästchen? Auch die Aussagen zum 'Denver-Trip': eher zu realistisch als zu 'gewollt'.


    (2) 'Psychologie, oder auch 'Die Oberflächlichkeit der Gedankenwelt':
    Ganz bestimmt sind die vielen Geschichten, wo literweise Sperma rumgespritzt wird, ganz und gar nicht meine Sache. Aber es muss auch nicht jede Geschichte in diesem Forum gleich nach dem Literatur-Nobelpreis streben. joda36 sagt ganz richtig: vielleicht findet man einen Mittelweg.


    Nico : gerade in Hinblick auf den zweiten Aspekt finde ich, dass 'Der gute Prinz' diesen Mittelweg ganz gut trifft. Könntest du dich dazu äußern? Einen offenen Thread dazu gips ja schon. Danke!

  • Zitat

    Original von cocodril
    Die "Untermieter" sind oftmals Studenten oder Praktikanten, die von den ausländischen Abteilungen der Firma vermittelt werden, also ähnlich wie bei einem Schüleraustausch, oft auf Gegenseitigkeit. Da ergibt sich leicht ein relativ enger Familienanschluss. Und - je nachdem - ist das keineswegs ein 'sexfreier Raum' ;)


    Das mag ja alles sein. Nur fehlt dann eben ein wenig Vorgeschichte - gerne in Form einer Rückblende nach dem Einstieg. Dass der Untermieter oder Hausgast einfach so aus dem Nichts heraus Hand anlegt, ist mir einfach zu viel herbeigezwungene Erfindung.


    Zitat

    Original von cocodril
    (2) 'Psychologie, oder auch 'Die Oberflächlichkeit der Gedankenwelt':
    Ganz bestimmt sind die vielen Geschichten, wo literweise Sperma rumgespritzt wird, ganz und gar nicht meine Sache. Aber es muss auch nicht jede Geschichte in diesem Forum gleich nach dem Literatur-Nobelpreis streben. joda36 sagt ganz richtig: vielleicht findet man einen Mittelweg.


    Nico : gerade in Hinblick auf den zweiten Aspekt finde ich, dass 'Der gute Prinz' diesen Mittelweg ganz gut trifft. Könntest du dich dazu äußern? Einen offenen Thread dazu gips ja schon. Danke!


    Hier gehts zunächst um diese Story von joda, und wenn ich auf seine eigene Story "Zivildienst" verweise, scheint mir das als Vergleich ausreichend und wesentlich hilfreicher.


    Bekanntlich habe ich auch nichts gegen "feuchte" Szenen ... solange die Geschichte drumherum aus einem Guss ist und ihre innere Logik beibehält. Vielmehr halte ich joda für einen der wirklich guten Autoren hier und möchte ihn lediglich ermuntern, die Fortsetzung(en) auf seinem üblichen Niveau zu schreiben. Das hat mit übersteigerten literarischen Ansprüchen nichts zu tun. Bei einem schlechteren Autor hätte ich eine solch detaillierte Kritik erst gar nicht versucht anzubringen.


    Nico S.

  • Eure detaillierten Auflistungen mögen ja alle von der Sache her richitg sein, aber ehrlich gesgat, ist es mir z.B. ziemlich "wurscht" ob und warum trotz des offensichtlichen Reichtums die Dame des Hauses arbeiten geht oder ein Untermieter da ist:-)


    Auch richtig ist, daß es nicht einfach ist "Zivildienst" zu toppen. Es ist nun mal das Schicksal eines Schreibers, daß er sich an seiner Topgeschichte messen lassen muß.


    Aber alles in Allem belieb ich bei meinem Urteil und sage "nur Mut und weiter so". Auch mit etlichen Ungereimtheiten bleibt die Geschichte weit über der Qualität und dem Niveau vieler anderer hier veröffentlichter Stories. Ich freue mich auf die Fortsetzung.

  • Nun sind einige Tage ins Land gegangen, in denen ich über die Geschichte und Eure Kommentare nachdenken konnte. Ich hoffe, dass es mir in diesem Teil gelungen ist, einige lose Enden der vorigen Teile aufzunehmen, zusammenzuknüpfen und stimmiger zu gestalten.


    Nico, ich habe den Hinweis mit der Rückblende mal dankend angenommen. :D

    Leben kann man nur vorwärts.
    Verstehen kann man es nur rückwärts.
     
    [SIZE=1]Soren Kierkegaard[/SIZE]

  • Die Geschichte ist gut. Ein wenig geschwätzig, aber gut. Ich meine, es müssen nicht immer, wie in dieser Geschichte, alle Details genannt, nicht jede Handbewegung begründet werden. Wenn noch die Vorgeschichte dazu käme, wäre es eindeutig zu viel des Guten gewesen. Bei Kurzgeschichten kann man ohnehin meistens darauf verzichten. Ein Auslandspraktikum, das in einer Woche endet, das ist Erklärung genug. Ein Fakt, der hinzunehmen ist. Ebenso ist die ambivalente Haltung der Protagonisten hinzunehmen - Frauen wissen oft nicht, was sie wollen. :D


    Außerdem dürfte sie Ende dreißig sein, da will manche Frau es noch einmal wissen. Wegen Attraktivität und so. Da kommt ihr so ein junger Bursche mit wenig Erfahrung gerade gelegen. Und Jake hat eindeutig wenig Erfahrung mit Frauen und der Mutigste ist er auch nicht gerade: Er traut sich nur etwas zu, wenn die Protagonistin „schläft“.


    Wenn man das bedenkt, dann erscheint die Handlung logisch. Sie entspricht genau dem, was die beiden Prots in der Lage sind, zu tun: Er weiß es nicht besser und sie kann oder will nicht über ihren Schatten springen. Wenn man das als Schatten überhaupt definieren kann, denn die Geschehnisse vor 20 Jahren deuten auf eine exhibitionistische Neigung hin, die nun, so scheint es, zum ersten Mal außerhalb der Ehe ausgelebt worden ist – davor hat sie damit nur ihren Mann heiß gemacht.


    Alles in allem ist das eine in sich geschlossene und stimmige Geschichte, frei von Fehlern jeder Art. Aber diese Anna hat noch Potential – ich würde mich nicht wundern, wenn sie jetzt auf den Geschmack gekommen ist. Immerhin fragt sie sich: „Wer bin ich eigentlich?“


    Sie ist also auf dem besten Wege zur Selbsterkenntnis, was neue Abenteuer geradezu herausfordert – von nichts, kommt nichts. ;)

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Danke, Erpan, dass Du über diverse Fehler in den ersten beiden Teilen wegschaust. Da war ich beim Korrekturlesen zu flüchtig drübergegangen. Und nach dem Posten war es mal wieder zu spät.


    Ohne Nicos Kopfwäsche hätte ich den dritten Teil wohl aber nie geschrieben und Anna würde ohne den Rückblick in den vierten Teil stolpern.

    Leben kann man nur vorwärts.
    Verstehen kann man es nur rückwärts.
     
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  • Nun hast Du ja die Problemfelder sorgfältig nachgearbeitet:-)
    Obwohl ich den dritten Teil nicht ganz so toll fand wie die ersten beiden, warte ich auf eine Fortsetzung.
    Es macht Freude, von Dir etwas zu lesen.