Wahrscheinlich ist es das Schicksal aller Neuaufgüsse, dass sie die Tendenz entwickeln, schal zu schmecken. Jedenfalls gehts mir mit "Nach all diesen Jahren" so.
Gleich am Anfang wird das Tor zu einer Reihe recht unlogischer Punkte aufgestoßen, die in der Vorlage alle besser gelöst bzw. kein Thema sind:
"Ich heisse Gerhard M. bin 56, habe eine kleine Tischlerei"
und weiter unten:
"Nun steht für nächsten Sonntag die jährliche Betriebsfeier an. Ich wollte eigentlich gar nicht hingehen, da ich fürchtete, die Kollegen könnten bemerken ..."
Gerhard (der Mann der strippenden Frau) ist nun offenbar der Inhaber, doch er nennt seine Mitarbeiter "Kollegen" - und er wäre der erste Chef, der die Wahl hat, ob er zur Betriebsfeier geht - zumal bei einer "kleinen Tischlerei". Wobei Betriebsfeiern nebenbei auch dadurch gekennzeichnet sind, dass sie der innerbetrieblichen Dynamik dienen sollen, was die Teilnahme von Partnern meist explizit ausschließt.
Unstimmigkeiten zeigen sich auch in der - prinzipiell nachvollziehbaren - Darstellung des Verhaltens der Frau in Sextus' Version:
"Ganz anders offenbar meine Frau. Seit einiger Zeit beobachte ich bei ihr eine Veränderung ihres Verhaltens. Sie geht jetzt öfter ohne mich fort, bleibt lange, sagt nicht, wo sie war.
Sie kleidet sich nun auch freizügiger, sagt mir frivole Sachen, wie etwa, dass sie gerne mal ohne Slip auf die Straße gehen würde."
Die Eheleute sprechen nicht mehr viel miteinander; die Frau verschweigt sogar das Ziel ihrer nächtlichen Streifzüge. Doch dann kommt sie mit "frivolen" Ansagen um die Ecke. Das passt irgendwie nicht: Will sie ihren Mann nun links liegen lassen oder zu neuem Interesse an sich aufstacheln?
Und dann - obwohl sich die beiden auch im Bett nach 12 Jahren nicht mehr viel zu sagen haben:
"Dieser Argwohn wird verstärkt dadurch, dass meine Frau nun auch im Bett nie da Gewesenes ins Spiel bringt."
Wie denn nun?
Nun beginnt also die "Betriebsfeier", und siehe da - bis auf Azubi Andi sind alle Mitarbeiter brav verheiratet. Natürlich ist das Handwerk noch eher traditionell geprägt als andere Branchen, doch so ein wenig retro mutet die Truppe da schon an.
Massiv unwahrscheinlich, gerade für eine Betriebsfeier mit anwesenden Gattinnen/Partnerinnen, erscheint der rasche Übergang zu schlüpfrigen Gesprächen, die auch noch von den Frauen voran gebracht werden. Gewiss nehmen Frauen untereinander kein Blatt vor den Mund, doch in Anwesenheit von Kollegen und gar dem Chef des eigenen Mannes würde kaum eine Frau sich auch nur beiläufig an einem solchen Thema beteiligen, schon aus Vorsicht, mit einer unbedachten Äußerung die Position ihres Mannes in der Firma zu gefährden.
Auch dass bei dem anschließenden Strip mittendrin der Schmuck dran glauben muss, wirkt in dem gegebenen Rahmen ziemlich überdehnt. Schmuck, schon gar Piercings, werden bei keinen Strip abgelegt; schließlich dient er ja der Zurschaustellung wie das Ausziehen selbst und nicht der Verhüllung wie die Kleidung.
Dann haben wir da einen Azubi (in dieser Story 18, nicht 16, wie der sonst bei Sextus übliche junge Mann), der die Gattin seines Chefs bearbeitet und offenbar keinerlei Angst vor möglichen Folgen hat - bemerkenswert.
Auch eine weitere Konstante in Sextus' Geschichten erscheint:
"Dieter kommt mit einer Flasche Whisky schenkt ihr ein Wasserglas voll ein.
Sie trinkt es in einem Zuge aus, ist jetzt schon weniger gehemmt, zieht kurz entschlossen ihre Bluse ganz aus, wirft sie mir zu"
Dieser Whisky fließt des öfteren bei Sextus in Strömen; ja man hat fast den Eindruck, dass seine Figuren ohne ein deutlich erhöhtes Maß an Alkohol oft kaum in Fahrt kämen. Ich will auch gar nicht anzweifeln, dass es Menschen gibt, die fähig sind, ein Wasserglas voll Whisky in einem Zug zu leeren. Doch ein Merkmal eines solch exzessiven Alkoholkonsums fällt dabei auch in dieser Story wieder völlig unter den Tisch: Alkohol steigert zwar die Hemmungslosigkeit hinsichtlich der Absichten beim Sex, vermindert aber in gleichem Maße die Fähigkeit zur Umsetzung.
Nun - das sind alles Einzelheiten, doch auch insgesamt bleibt die Story farblos und sowohl hinter der Vorlage als auch hinter anderen Storys von Sextus ein gutes Stück zurück (womit ich zum Beispiel auf die Foto-Session oder die Kino-Story anspiele). Es zeigt sich in meinen Augen deutlich, dass es selbst geübten Schreibern - und als solchen betrachte ich Sextus durchaus - schwer fällt, aus einer fremden Storyline den rechten Honig zu saugen.
Nico S.