Erotik, Gewalt, Kunst, Meinungsfreiheit, Geschmack, Zensur usw.

  • Zitat

    Original von NicoS
    Natürlich würde ich den Autor nicht verantwortlich machen, wenn er z.B. ein sehr melancholisches Gedicht schreibt, und jemand springt dann mit dem Gedichtband in der Hand von der Brücke.


    Zitat

    Original von NicoS
    Was soll dann, nach deinem Verständnis, einer dafür können, wenn Leute seine Geschichten ekelhaft, unethisch, abstoßend oder einfach hundsmiserabel finden? Es sind ja nur ihre "Gedanken und Gefühle", und er als Autor ist dafür nicht verantwortlich ...


    Wenn ein Autor nicht für eine Depressionen bzw. Selbstmord verantwortlich zu machen ist, dann ist er das noch weniger für andere, weit weniger wichtigen Dinge, die Leser bei oder nach der Lektüre tun könnten.


    Gewiss kann ein Text all das hervorrufen (es gab nach Goethes Werther massenhaft Selbstmorde Jugendlicher in ganz Europa, und es gab auch schon Morde nach Muster der Kriminalromane), aber wollte man hier eine Grenze setzen, so würde das unweigerlich zum Stillstand jeglicher Kunst führen.


    Und wenn man schon mögliche Morde und Selbstmorde nicht verhindern will, warum sollte man möglichen Ekel verhindern?


    Es ist ganz einfach: Merkt ein Leser, dass ein Text ihm nicht behagt, kann er ja aufhören - niemand wird weder hier noch sonst wo gezwungen, einen Text zu ende zu lesen. Und wenn er trotzdem weiter liest und seine Befürchtungen bestätigt findet, dann war das sein Wille und seine Verantwortung, der Autor ist jedenfalls hierfür genauso wenig haftbar zu machen wie für den dann möglicherweise gestörten Geisteszustand des Lesers und die Folgen.


    Ich weiß wohl: Der Mensch ist neugierig und liest oft trotz Ekel oder möglicher Selbstgefährdung weiter, doch sich hinterher zu beschweren, was für Schrott er da lesen "musste", widerspricht jeglicher Logik - ich hoffe, NicoS, du siehst das genauso.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Die Diskussion beginnt sich im Kreis zu drehen, und das bringt uns beide nicht weiter.


    Ich denke, ich habe deinen Standpunkt so einigermaßen verstanden, was nicht heißt, dass ich meinen aufgebe. ;)


    Ich schreib jetzt erstmal lieber weiter ... sonst gibts am Ende bei Helena noch nen Cliffhanger. :]


    Nico S.

  • Fortsetzung des Themas von diesem Geschichtenthread.


    Zitat

    Original von kater001
    Strafbar ist also auch, wenn "Scheinminderjährige" dargestellt werden, sowie Zeichentrickfilme und Computeranimationen, die U18-Sex zum Thema haben.


    Wenn das alles strafbar ist, ist der Weg zum Text nicht mehr weit. Der Gesetzgeber hat MMN schon bewusst den weit gefassten Begriff "Schriften" gewählt.


    Zu diesem Komplex hat das Bundesministerium der Justiz am 20. Juni 2008 eine Pressemitteilung herausgegeben:


    (Anmerkung: Aus der Anzeige funktioniert der Link des BMJ auf dieser Seite nicht - man muss in die Zitierfunktion gehen und den Link per Copy+Paste in die Adresszeile des Browsers kopieren. Die Überschrift der Pressemitteilung lautet: Besserer Schutz vor sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen
    Berlin, 20. Juni 2008 )


    Ich zitiere daraus:


    Strafbar ist künftig vor allem das Verbreiten jugendpornografischer Schriften, ebenso deren Besitz, sofern echte Jugendliche dargestellt werden. Dagegen bleibt der Besitz von fiktiver Jugendpornografie (z. B. Computeranimationen) und von pornografischen Abbildungen von Erwachsenen, die lediglich so aussehen wie Jugendliche (sog. Scheinjugendliche), weiterhin straflos.


    Der Begriff der Schriften umfasst neben bildlichen Darstellungen auch Tonträger (z.B. Hörbücher) und pornografische Texte.


    Stets muss es sich bei den Schriften aber tatsächlich um Pornografie handeln. Die Rechtsprechung verlangt dafür die „vergröbernde Darstellung des Sexuallebens unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge“.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Der Kommentar des BMJ liest sich für mich wie ein Zick-Zack-Kurs, so als wüssten die selbst nicht, was sie nun eigentlich wollen.


    Also: Grundsätzlich ist das Verbreiten und der Besitz jugendpornographischer Schriften strafbar.


    Der Besitz fiktiver Jugendpornographie (also Computeranimationen oder "Scheinjugendliche") bleibt weiterhin straffrei - nicht aber deren Verbreitung. Allein das ist schon seltsam.


    Nun sollte man meinen, dass Texte generell unter den Titel "fiktive Jugendpornographie" fallen. Texte sind ja Fiktion in Reinkultur.


    Trotzdem wird der Begriff der Schriften im nächsten von Dir zitierten Satz ausdrücklich auf Texte ausgedehnt.


    Ich frage mich noch immer: Was will der Gesetzgeber hier eigentlich erreichen? Der Regelungszweck des Verbots von "bildlichen Darstellungen", Hörbüchern etc. mit Jugendlichen ist ja wohl klar. Nicht klar ist hingegen der Zweck des Verbots fiktiver Pornographie, v.a. weil er zweideutigerweise nicht den Besitz, sondern nur die Verbreitung zensuriert.


    Mir ist klar, dass das hier wohl das falsche Forum ist, um die Frage zu stellen - weil ohnehin die meisten ähnlich denken wie ich -, aber vielleicht weiß jemand aus irgend einer Quelle, was das Verbreitungsverbot fiktiver Pornographie für einen Zweck haben soll.

  • Zitat

    Original von kater001
    Der Kommentar des BMJ liest sich für mich wie ein Zick-Zack-Kurs, so als wüssten die selbst nicht, was sie nun eigentlich wollen.


    Die Materie selbst ist schwierig, nicht eindeutig und dem Zeitgeist unterworfen.



    Zitat

    Original von kater001
    Also: Grundsätzlich ist das Verbreiten und der Besitz jugendpornographischer Schriften strafbar.


    Ja, Jugend- ist der Kinderpornografie gleichgesetzt, sofern es sich um reale Personen handelt.



    Zitat

    Original von kater001
    Der Besitz fiktiver Jugendpornographie (also Computeranimationen oder "Scheinjugendliche") bleibt weiterhin straffrei - nicht aber deren Verbreitung. Allein das ist schon seltsam.


    Nein, das Gesetz dient dem besseren „Schutz vor sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen“. Da aber bei fiktiver Jugendpornografie niemand sexuell missbraucht wird, ist der Besitz erlaubt, ansonsten greift das, was für jede Art von Pornografie gilt: Die Verbreitung an Kinder und Jugendliche ist strafbar, nicht aber an Erwachsene.



    Zitat

    Original von kater001
    Nun sollte man meinen, dass Texte generell unter den Titel "fiktive Jugendpornographie" fallen. Texte sind ja Fiktion in Reinkultur.


    Das ist auch der Fall. Die fiktive Jugendpornografie wird wie die Erwachsenenpornografie behandelt: nur die Verbreitung an Personen unter 18 Jahren ist strafbar.



    Zitat

    Original von kater001
    Trotzdem wird der Begriff der Schriften im nächsten von Dir zitierten Satz ausdrücklich auf Texte ausgedehnt.


    Ja, denn hier greift das zuvor gesagte – ich zitiere:


    Stets muss es sich bei den Schriften aber tatsächlich um Pornografie handeln. Die Rechtsprechung verlangt dafür die „vergröbernde Darstellung des Sexuallebens unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge“.



    Zitat

    Original von kater001
    Mir ist klar, dass das hier wohl das falsche Forum ist, um die Frage zu stellen - weil ohnehin die meisten ähnlich denken wie ich -, aber vielleicht weiß jemand aus irgend einer Quelle, was das Verbreitungsverbot fiktiver Pornographie für einen Zweck haben soll.


    Das ist eine Frage, die man an das deutsche Volk stellen müsste: Warum findet die Mehrheit dieses Volkes, dass detaillierte Beschreibungen der Geschlechtsorgane und des Sexualaktes jugendgefährdend sind, denn das ist der alleinige Grund, warum jegliche Pornografie Verbreitungsbeschränkungen unterliegt.


    Trotzdem sollte man nicht zu schwarz sehen, denn sobald es in Texten nicht nur die „vergröbernde Darstellung des Sexuallebens unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge“ geht, ist es keine Pornografie mehr, und dies auch dann nicht, wenn es sich dabei um jugendliche Akteure handelt.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Danke, Erpan, sehr schön ausgedrückt und erklärt!


    Stimme dir hier mal zu 100% zu ^^

    Hier gibt es Leute, die im Namen der political Correctness ehrliche Menschlichkeit vernichten um sich zu profilieren.


    So lange diese wandelnde Beleidigung hier sein Unwesen treibt, bin ich hier weg!
    Ciao

  • Zitat

    Original von Erpan
    Nein, das Gesetz dient dem besseren „Schutz vor sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen“. Da aber bei fiktiver Jugendpornografie niemand sexuell missbraucht wird, ist der Besitz erlaubt, ansonsten greift das, was für jede Art von Pornografie gilt: Die Verbreitung an Kinder und Jugendliche ist strafbar, nicht aber an Erwachsene.


    O.k, wenn das so zu verstehen ist, wäre es wenigstens logisch. Der Kommentar des BMJ ist aber nur eine von mehreren Rechtsmeinungen. Der im Geschichten-Thread verlinkte Kommentar von Heise sieht es anders. Dieser ist der Meinung, dass sehr wohl auch fiktive Jugendpornographie unter das Besitzverbot fällt.
    Das Gesetz ist also offenbar bewusst schwammig formuliert, weshalb einige Betreiber von Erotikgeschichten-Seiten vorsorglich alles verbieten, was unter-18jährige Figuren hat - nur damit sie nicht in die Nähe eines Gesetzesverstoßes kommen.


    Zitat

    Original von Erpan
    Stets muss es sich bei den Schriften aber tatsächlich um Pornografie handeln. Die Rechtsprechung verlangt dafür die „vergröbernde Darstellung des Sexuallebens unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge“.


    Darauf bin ich bewusst nicht eingegangen, weil eine solche Einschätzung immer im Auge des Betrachters liegt und mehr als alles andere vom jeweiligen Zeitgeist abhängig ist. Einst galt ja sogar Hildegard Knefs nackter Busen in "Die Sünderin" als pornographisch.
    Eine Grenzziehung, was nun pornographisch ist und was nicht, würde ich nie wagen, und ehrlich gesagt traue ich es auch niemanden zu (auch nicht staatlichen Behörden oder Gerichten), eine solche zu unternehmen.


    Zitat

    Original von Erpan
    Das ist eine Frage, die man an das deutsche Volk stellen müsste: Warum findet die Mehrheit dieses Volkes, dass detaillierte Beschreibungen der Geschlechtsorgane und des Sexualaktes jugendgefährdend sind, denn das ist der alleinige Grund, warum jegliche Pornografie Verbreitungsbeschränkungen unterliegt.


    Darüber könnte man natürlich sehr gut diskutieren, es gibt da auch unter Experten sehr unterschiedliche Meinungen. Es ist aber ein ganz anderer Themenbereich.

  • Zitat

    Original von kater001
    Der Kommentar des BMJ ist aber nur eine von mehreren Rechtsmeinungen. Der im Geschichten-Thread verlinkte Kommentar von Heise sieht es anders.


    Ehm..... dir ist aber schon bewusst, dass das BMJ das Bundesministerium für Justiz ist und Heise lediglich ein Verlag, oder?


    Ich denke, es steht wohl außer Zweifel, welche "Rechtsmeinung" da wohl "verbindlicher" sein dürfte.....

    Hier gibt es Leute, die im Namen der political Correctness ehrliche Menschlichkeit vernichten um sich zu profilieren.


    So lange diese wandelnde Beleidigung hier sein Unwesen treibt, bin ich hier weg!
    Ciao

  • Zitat

    Original von kater001
    Das Gesetz ist also offenbar bewusst schwammig formuliert, weshalb einige Betreiber von Erotikgeschichten-Seiten vorsorglich alles verbieten, was unter-18jährige Figuren hat - nur damit sie nicht in die Nähe eines Gesetzesverstoßes kommen.


    Es gibt überall den vorauseilenden Gehorsam, vor allem in Deutschland.



    Zitat

    Original von kater001
    Eine Grenzziehung, was nun pornographisch ist und was nicht, würde ich nie wagen, und ehrlich gesagt traue ich es auch niemanden zu (auch nicht staatlichen Behörden oder Gerichten), eine solche zu unternehmen.


    Schon klar, Kater, aber generell kann man sicher sagen, dass wenn in einer Geschichte die nicht sexuellen Handlungen überwiegen, dann ist die Geschichte als Ganzes keine Pornografie, egal wie vergröbernd oder explizit darin die einzelnen sexuellen Darstellungen auch sind.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Zitat

    Original von Leseratte
    Ehm..... dir ist aber schon bewusst, dass das BMJ das Bundesministerium für Justiz ist und Heise lediglich ein Verlag, oder?


    Ich denke, es steht wohl außer Zweifel, welche "Rechtsmeinung" da wohl "verbindlicher" sein dürfte.....


    Das steht nicht außer Zweifel. Im Sinne der Gewaltentrennung hat das BMJ bzgl. der Auslegung von Strafgesetzen eine Meinung, die aber keinesfalls schwerer wiegt als bspw. die eines Rechtsprofessors. Über die Auslegung entscheiden einzig und allein die Gerichte. Und die können sagen, liebe Leute vom BMJ, was Ihr aus dem Gesetz herauslesen wollt ist schön für Euch, aber wir lesen da etwas ganz anderes raus. Und das zählt.
    Nicht nur einmal mussten Gesetze wieder abgeändert werden, weil sie vorher so schwammig formuliert waren, dass die Gerichte sie ganz anders gelesen haben als sie vom Gesetzgeber (und der ist zumindest theoretisch wieder eine ganz andere Instanz als das BMJ) gemeint waren.
    Abgesehen davon ist die neue Justizministerin eine Unterstützerin von Alice Schwarzers PorNo-Kampagne. Besonders liberale Ansichten zu dieser Materie dürfte sie (was im Hinblick auf ihre Parteizugehörigkeit paradox ist) nicht gerade haben.


    Ich denke aber, dass das Verbot des Besitzes fiktiver Pornographie jeder Art, sowie auch deren Verbreitung unter Erwachsenen, grundgesetzwidrig wäre.

  • Zitat

    Original von kater001
    Das steht nicht außer Zweifel. Im Sinne der Gewaltentrennung hat das BMJ bzgl. der Auslegung von Strafgesetzen eine Meinung, die aber keinesfalls schwerer wiegt als bspw. die eines Rechtsprofessors. Über die Auslegung entscheiden einzig und allein die Gerichte. Und die können sagen, liebe Leute vom BMJ, was Ihr aus dem Gesetz herauslesen wollt ist schön für Euch, aber wir lesen da etwas ganz anderes raus. Und das zählt.


    Nun ja, die Meinung des Justizministeriums zur Zeit der Verabschiedung des Gesetzes ist zumindest im Rahmen der historischen, vielleicht auch der teleologischen Auslegung interessant. Was ein Zeitungsverlag zu sagen hatte, wird dagegen nicht mal gezielt gelesen.

  • Zitat

    Original von notapolitician
    Nun ja, die Meinung des Justizministeriums zur Zeit der Verabschiedung des Gesetzes ist zumindest im Rahmen der historischen, vielleicht auch der teleologischen Auslegung interessant.


    Kann sein - zumindest die Erläuterungen zu Regierungsvorlagen werden ja i.d.R. zur Auslegung herangezogen. Müssen tun die Gerichte aber gar nichts.
    Ich glaube jedoch mittlerweile, dass das Verbot fiktiver Pornographie, selbst wenn die darin enthaltenen Figuren Jugendliche sind, eindeutig gegen das Grundgesetz verstößt. Obwohl ich die sehr ausführlich und fundiert vorgetragenen Kritikpunkte Calientes an der eingeschränkten Meinungsfreiheit des Grundgesetzes (weiter oben im Thread) vollinhaltlich teile, bin ich mir in diesem Fall sicher, dass die Meinungs- und künstlerische Freiheit bei fiktiver Pornographie nicht eingeschränkt werden kann - vom Verbreitungsverbot an Jugendliche einmal abgesehen.

  • Zitat

    Original von kater001
    Ich glaube jedoch mittlerweile, dass das Verbot fiktiver Pornographie, selbst wenn die darin enthaltenen Figuren Jugendliche sind, eindeutig gegen das Grundgesetz verstößt.


    Wir waren uns doch schon einig, dass die fiktive Jugendpornografie wie die Erwachsenenpornografie behandelt wird - warum sprichst du hier wieder von einem Verbot?

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend