Ja und nein, Erpan.
Gerade das Verhalten der Yanomami verdeutlicht sehr gut, daß es tatsächlich eine "natürliche", nämlich angeborene Scham gibt. Nur ist dies keine Scham über irgendwelche Körperteile oder sonstige natürliche Gegebenheiten, sondern die Scham, sich nicht Gruppenkonform, oder auch obrigkeitskonform verhalten zu haben.
Diese Scham stellt sich vollkommen automatisch ein, wenn man etwas tut, von dem man weiß, daß man es nicht soll/darf oder von dem man weiß, daß es abschätzig bewertet wird.
Während beispielsweise der Junge, der schon sehr früh in für ihn positivem Kontext mit Sexualität in Berührung gekommen ist, stolz auf seinen steifen Schwanz ist, schämt sich der andere, dem Sexualität als etwas Verwerfliches dargestellt wurde für körperliche Signale des Verlangens gerade danach. Ebenso derjenige, der in der heutigen übersexualisierten Gesellschaft aufwächst, wo sich die Jungs gegenseitig für die Beulen in den Hosen aufziehen.
Die scheinbar körperliche Scham ist auch da immer zu hundert Prozent die Scham vor "gesellschaftlicher Verfehlung".
Die "natürliche Scham" hat einen für soziallebende Spezies geradezu überlebenswichtigen Wert.
Da aber kaum jemand die Natur der Scham erkennt, wird statt der "natürlichen Scham" eine gesellschaftliche Tradition geschützt.