Der geraubte Kuss
Wir haben ein ganzes Wochenende nur für uns und genießen die Zweisamkeit sehr. Der Tag war schon wunderschön und nun sind wir in dieser Vorstellung des Freiluft Kinos...
Der Film ist nicht halb so spannend wie ich erwartet habe. Aber vielleicht liegt das auch nur daran, dass ich kaum etwas mitbekomme. Denn meine Aufmerksamkeit ist ganz woanders... bei dir.
Du sitzt neben mir und schaust gebannt auf die Leinwand. Ich lasse meinen Blick über das Gelände und die anderen Besucher des Freiluft Kinos schweifen und lasse den Tag noch einmal an mir vorbei ziehen.
Wir waren Kaffeetrinken und gingen spazieren, saßen im Park und unterhielten uns. Wenn man uns so beobachtet, sieht es so aus als hätten wir uns gerade erst kennengelernt. Dabei sind wir schon seit vielen Jahren ein Paar und verheiratet. Aber solche Tage, mit solchen Spielchen halten auch unsere Liebe frisch und machen immer wieder auf's neue sehr viel Spaß.
Ich werfe dir unauffällig einen Blick zu und greife in unsere Popcorntüte. Fast ziehe ich meine Hand zurück, als ich deine streife. Du siehst mich an und lächelst... dieses zauberhafte Lächeln, mit dem du mich schon immer faszinierst...
Wir wenden uns wieder dem Film zu, aber ich spüre deine Haut noch immer an meiner...
Ich zögere kurz, lege dann aber meine Hand neben deine auf die Bank und umschlinge mit dem kleinen Finger den deinen. Mein Herz klopft ganz aufgeregt und ich schüttle innerlich den Kopf darüber... wie ein verliebter Teenager...
Aus dem Augenwinkel sehe ich dein Schmunzeln und ich atme erleichtert auf. Du nimmst meine Hand, drückst sie leicht und streichelst mit dem Daumen sanft über meinen Handrücken... und schon wieder macht mein Herz einen Satz.
Als der Film zu Ende ist, schlängeln wir uns entgegen dem Strom durch die Menge über den Burghof in Richtung Garten. Es ist längst dunkel, aber die Laternen tauchen unsere Umgebung in ein mattes Licht. Du hältst immer noch meine Hand und verschränkst unsere Finger. Es fühlt sich gut an... ein Kribbeln breitet sich in meinem Körper aus. Ich beobachte dich, während wir schweigend über die Wege schlendern.
Auf deinen Lippen liegt ein leises Lächeln und ich wünsche mir plötzlich nichts sehnlicher, als dich zu küssen... deine Lippen zu berühren und zu fühlen...
Wir gelangen an die Burgmauer und genießen eine Weile die tolle Aussicht. Hier sind wir ganz für uns allein. Da drehst du dich zu mir um und siehst mich eindringlich an. Deine wunderschönen, blauen Augen ziehen mich, wie immer, in deinen Bann und lassen mich auch nach Jahren fast vergessen zu atmen.
Mit einer sanften Bewegung ziehst du mich in deine Arme... Ich versinke in deiner Umarmung, lehne meine Wange an deine Brust und atme deinen, mir sehr vertrauten, Duft.
Ehe ich mich versehe umfasst du plötzlich meine Taille, drehst mich herum und setzt mich mit einem frechen Zwinkern auf die Mauer. Ich muss lachen... jetzt sind wir auf Augenhöhe...
Deine Hände halten mich immer noch fest. Du neigst den Kopf und lehnst deine Stirn gegen meine. Vorsichtig streiche ich mit den Fingern über deinen Kopf und lege dann meine Hand an deine Wange.
Ich schließe die Augen und halte den Moment fest, in dem ich dir so nahe bin und noch viel näher sein will. Dein Atem streift meine Lippen. Ein wohliges Schaudern überzieht meinen ganzen Körper. Du wickelst eine Strähne meines Haars um deine Finger und nimmst mein Gesicht in deine Hände. Ich erwarte, dass du mich küsst, aber du verharrst...
Irritiert schlage ich die Augen auf. Du wirkst ganz in den Moment versunken, siehst mir in die Augen und hältst mich fest. Die Sekunden scheinen endlos an uns vorüber zu ziehen. Deine Daumen streichen über meine Wangen. Ich lege meine Arme um deinen Nacken und mit festem Blick sehe ich dich an, flüstere ganz nah an deinen Lippen...
"Wenn du mich nicht endlich küsst, muss ich dich leider an den Baum dort binden und dir den Kuss rauben."
Amüsiert hebst du die Augenbrauen...
"Im Ernst? Das würdest du tun?"
Ich löse mich ein Stück von dir...
"Oh ja, allerdings."
Mein Herz flattert und für einen kurzen Moment breitet sich Unsicherheit in mir aus, aber ich lasse mir nichts anmerken.
"Das Risiko gehe ich ein"
erwiderst du trocken und grinst. Warum wundere ich mich? Ich hätte mir denken können, dass dir die Idee gefällt. Du wirkst noch nicht mal besonders überrascht. Kneif jetzt bloß nicht, ermahne ich mich und straffe entschlossen die Schultern.
Mit einem Schmunzeln greife ich in meine Tasche und ziehe ein Seil hervor. Ich lasse es verspielt um meine Finger kreisen und werfe dir einen herausfordernden Blick zu, dem du mit einem gelassenen Lächeln stand hältst...
"Na warte!"
In meinen Augen blitzt ein Funkeln auf, als ich von der Mauer rutsche, dir einen verführerischen Augenaufschlag schenke, hinter dich trete und mit ein paar flinken Bewegungen das Seil um deine Handgelenke winde. Ein aufgeregtes Zittern lässt dich unter meinen Händen erbeben. Du bist mindestens genauso gespannt wie ich.
Ein triumphierendes Lächeln legt sich auf meine Lippen, das du zum Glück nicht sehen kannst. Ich streichle mit einer Hand über deinen Rücken zwischen den Schulterblättern nach oben, während ich mit der anderen deine Hände in das Seil verschlungen halte...
"Alles ok?"
Frage ich dich.
"Ja."
Deine Stimme ist nur ein Flüstern...
Mit einem letzten Griff verknote ich das Seil und trete wieder vor dich. Wir tauschen einen langen Blick...
Von der Herausforderung und unserem Necken ist nichts mehr zu sehen...
Eine fast magische Spannung liegt zwischen uns, die förmlich greifbar ist...
Ein Windstoß weht dir meine Haare ins Gesicht und ich streiche sie dir weg... Die Geste ist so vertraut, dass sie mich kurz innehalten lässt, ehe ich meine Hand auf deine Brust lege und dich sanft zurück in Richtung Baum dränge. Du folgst, ohne den Blick von mir abzuwenden. Die grobe Rinde berührt deine Hände und du bleibst gehorsam vor dem Baum stehen. Ich umrunde dich langsam und binde dabei das Seil um den Stamm...
"Sehr schön."
Mit einem Schmunzeln betrachte ich dich von oben bis unten und genieße den Anblick, wie du wehrlos vor mir stehst. Ich trete ganz nah an dich heran.
Meine Fingerspitzen streichen über deine Wangen, deinen Hals und deine Brust. Dort lasse ich meine Hände verweilen, stelle mich auf Zehenspitzen und hauche dir links und rechts einen zarten Kuss auf deine Mundwinkel.
Du schließt die Augen... ich spüre, wie dein Herz unter meinen Händen schneller schlägt...
Langsam taste ich mich vor. Mit der gleichen Sanftheit erwiderst du meine Küsse und beugst dich mir entgegen. Warm und weich verschmelzen unsere Lippen. Ich schaudere und schließe die Augen. Wir versinken immer tiefer in unsere Berührungen...
Mit der Zungenspitze necke ich ganz vorsichtig deine Lippen. Du bebst und ziehst scharf die Luft ein, als ich mich eng an dich schmiege. Der Wunsch mich zu berühren lässt dich an den Fesseln zerren, aber der Knoten sitzt zu fest. Hilflos legst du dein Begehren in einen langen Kuss und ich öffne bereitwillig meine Lippen für dich...
Eine Woge von Empfindungen ergreift mich, mein Atem geht schneller, eine wunderbare Wärme strömt durch meine Adern. Meine Hände gleiten über deinen Rücken und ziehen dich noch näher an mich heran. Als du mit deinem Gesicht eine Winzigkeit abrückst, folge ich deiner Bewegung und beiße dir zärtlich auf die Unterlippe...
"Nicht aufhören..."
flüstere ich an deinem Mund.
"Lass mich nur kurz Luft holen…"
Ein Lächeln huscht über mein Gesicht...
"Na gut… Ausnahmsweise."
Ich genieße dein leises Lachen und lege meinen Kopf an deine Schulter...