Jetzt weiß ich auch, warum ich Frauenfußball noch nie erotisch fand:
„Wirst schon sehen, dich drehen wir auch noch um.“ Solche Sätze fallen
gelegentlich im Training. Sie seien nicht ernst gemeint, weiß Ingrid
Kornberger. Trotzdem reagiert die Fußballspielerin auf derartige Scherze
äußerst energisch. „Wir wollen, dass sich bei uns lesbische und
heterosexuelle Frauen wohlfühlen“, betont sie. Dass im Damenteam des SV
Feldkirchen weit mehr als die Hälfte lesbisch ist, stelle für keine
Spielerin ein Problem dar. Aber natürlich müsse man die jungen
Spielerinnen darauf vorbereiten, sagt Kornberger.
Dort, wo darüber nicht offen gesprochen wird, komme es häufig zu
Konflikten. Für den Wiener Sportsoziologen Otmar Weiß stellt „der hohe
Anteil an Homosexuellen im Frauensport“ ein „Riesenproblem“ dar. „Viele
junge Mädchen können mit diesen Erfahrungen nicht umgehen, sind
überfordert und werden häufig im Stich gelassen“, erzählt der Professor
an der Universität Wien. Weiß ortet mitunter auch eine Diskriminierung
von Heterosexuellen. Oft beenden Mädchen ihre sportliche Laufbahn. Vor
allem auch auf Druck der Eltern. „Viele Eltern wollen nicht, dass ihre
Tochter lesbisch wird“, sagt Weiß.
„Mädchen spielen Fußball, weil
sie Fußball spielen wollen“, betont er. Der Soziologe vertritt die
Ansicht, dass Frauen innerhalb eines Teams viel stärker zur
Homosexualität tendieren als Männer. „Frauen haben eine viel
emotionalere Nähe zueinander. Sie pflegen im Umgang viel stärkeren
körperlichen Kontakt. Freundinnen erzählen einander viel intimere Dinge,
als es Männer untereinander tun“, sagt Weiß. Unter Männern, und seien
es die besten Freunde, seien Berührungen einfach nicht üblich.
Dass
Frauenteams ganz anders ticken als „Mann“schaften, das liegt auch für
Kornberger auf der Hand. Jedoch findet sie andere Argumente dafür:
„Schwule haben eben eine feminine Seite, und die kann mit Fußball meist
nicht viel anfangen.“ Wohingegen Lesben eher Interesse an Dingen haben,
die gemeinhin als Männersache bezeichnet werden. Im Fußball sei das auf
jeden Fall so, meint Kornberger. Aber es müsse doch mühsam sein, in
dieser Machowelt Fuß zu fassen? „Man ist ja schon gewohnt, gegen den
Strom zu schwimmen, da kommt's auf das auch nicht mehr an“, meint
Kornberger ironisch.
„80 Prozent der Fußballerinnen sind
lesbisch. Zumindest in den oberen Spielklassen ist das so“, sagt die
Steirerin. Und auch sie gesteht ein, dass diese Dominanz der Lesben
nicht immer positiv für den Teamgeist in ihrer Elf ist. „Mir wäre es
lieber, wenn es ausgeglichener wäre“, sagt sie.
Dass im Sport die
Ressentiments gegen Homosexuelle viel größer seien als in anderen
gesellschaftlichen Bereichen, weist Sportsoziologe Weiß entschieden
zurück. „Das ist ein glattes Vorurteil“, sagt er. Die „Sozialwelt Sport“
sei für alle da. Für Weiß ist der Sport der „größte Sinnvermittler der
modernen Gesellschaft“. Sport sei also eine Art Ersatzreligion geworden.
Auch
Ingrid Kornberger ist der Ansicht, dass der Druck auf Homosexuelle etwa
in der Politik sehr viel höher ist als im Sport. „In der Politik steht
das Privatleben viel mehr im Vordergrund“, meint sie. „Im Sport zählt
die Leistung. Und wenn die Leistung stimmt, ist es egal, wer mit wem am
Abend das Bett teilt.“
Kornberger glaubt allerdings, dass Männer
homosexuelle Mannschaftskameraden viel eher als „Bedrohung“ erachten.
Die Ängste seien da viel stärker ausgeprägt als bei den Frauen. Wenn
eine Spielerin erstmals beobachtet, wie sich zwei Teamkolleginnen
küssen, dann bekomme die halt zu hören: „Da darfst du dir nichts dabei
denken. Das ist bei uns eben so.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2009)