Der Kuß der Frauen

  • »O liebe Kleine«, rief sie, indem sie mich streichelte, »du bist ja ganz
    glühend heiß! Wie weich deine Haut ist! Die Barbaren! Wie konnten sie
    sich erfrechen, dich so furchtbar zu martern. Du hast gewiß entsetzliche
    Schmerzen gehabt. Erzähle mir doch, was sie mit dir gemacht haben! Sie
    haben dich geschlagen, nicht wahr?« Ich wiederholte ihr meine Geschichte
    mit allen Einzelheiten, von denen ich die, für die sie sich besonders
    zu interessieren schien, recht lebhaft ausmalte. Sie hörte mir mit so
    außerordentlichem Vergnügen zu, daß sie von Zeit zu Zeit am ganzen Leibe
    erzitterte. »ArmesKind! Armes Kind!« rief sie immer wieder, indem sie
    mich mit aller Kraft an sich preßte. Ich weiß nicht, wie es kam – aber
    plötzlich lag ich auf ihr. Ihre Beine waren über meine Lenden gekreuzt,
    ihre Arme umschlangen mich. Eine wohlige Wärme durchdrang meinen ganzen
    Leib. Ich empfand ein bisher nie gekanntes köstliches Wohlgefühl, es
    war, wie wenn eine Art Liebessaft, weich wie Milch, sich durch meine
    Adern ergoß. »Wie gut Sie sind! Wie gut Sie sind!« sagte ich zu der
    Oberin. »Ich liebe Sie! Ich bin glücklich bei Ihnen. Ich möchte mich
    niemals wieder von Ihnen trennen!« Mein Mund preßte sich auf ihre
    Lippen, und ich wiederholte in glühender Ekstase: »O ja, ja! Ich bin zum
    Sterben in Sie verliebt. Ich weiß nicht wie... aber ich fühle...«
    Langsam liebkoste mich die Hand der Oberin. Leise bewegte sich ihr Leib
    unter dem meinigen. Ihre harten, dichten Schamhaare vermischten sich mit
    meinem Vlies, stachen in meine Haut und verursachten ein höllisches
    Jucken. Ich war völlig außer mir, ein Schauer durchrann mich, daß mein
    ganzer Körper erzitterte. Plötzlich – die Oberin gab mir einen
    unglaublich wollüstigen Kuß – hielt ich inne. »O mein Gott!« rief ich.
    »Lassen Sie mich...« Ah! Niemals hat ein reichlicherer, ein köstlicherer
    Erguß ein Liebesspiel gekrönt!

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)