Der Text, den ihr schreibt, muss mir zeigen, dass er mich begehrt.
Roland Barthes
Ratschläge für Schreibanfänger und Fortgeschrittene
Dieser Beitrag soll dem Schreiber die Arbeit erleichtern bzw. seinen Blick für Dinge schärfen, die einen Leser normalerweise nerven – um sie in seinen Geschichten zu vermeiden. Die Ratschläge sind nicht auf meinem Mist gewachsen: Sie sind größtenteils von einem Schriebforum übernommen, in dem ich auch tätig bin.
1. Was soll man schreiben? Überlege dir, was du schreiben möchtest und warum du gerade darüber schreiben möchtest? Was ist für dich unterhaltsam, und was könnte für den Leser unterhaltsam sein?
2. Protagonist: Statte deine Hauptfigur noch vor dem Schreiben mit gewissen Eigenarten aus, denn eine Figur ohne Eigenschaften ist langweilig. Es sind erst die Stärken und Schwächen, die persönlichen Eigenschaften, die einen Menschen zu dem machen, was er ist. Also gib deinen Charakteren Macken, Vorlieben, Abneigungen, Allergien, chronische Krankheiten ... Verleih deinen Figuren Stärken und Schwächen, kleine Marotten, die der Leser liebgewinnen kann.
3. Adjektive meiden: Nur mit Adjektiven zu charakterisieren wirkt oft oberflächlich. Also nicht schreiben "X war ein böser Mensch.", sondern ihn zum Beispiel etwas Böses tun oder sagen lassen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, andere Personen über X sprechen oder denken zu lassen oder in irgendeiner Form die Folgen von X Handlungen zeigen.
4. Gefühle: Benenne keine Gefühle, beschreibe sie. Statt einfach zu schreiben "A ist traurig" beschreibe besser die Effekte, die diese Traurigkeit auf A hat: "A fühlte sich, als würde sein Inneres von einer Baggerschaufel ausgehöhlt." Statt "X hatte Angst" das Gefühl von Beklemmung, beschleunigtem Herzschlag und Atmung, erweiterte Augen, offenen Mund, Gänsehaut etc beschreiben, wobei "Gänsehaut" z.B. auch schon wieder platt ist.
Auch nicht "Es war unheimlich" schreiben, sondern vielleicht „es war still und eine undurchdringliche Dunkelheit umgab ihn“. Dann kann man auch direkt schreiben: X bekam Angst. Dieses Beispiel zeigt, dass nichts sklavisch befolgt werden muss – es gibt immer Ausnahmen von der Regel.
5. Metaphern: Verwende Metaphern und Gleichnisses aus der Lebenswelt des Protagonisten. Ein Arzt oder ein Handwerker spricht anders als ein Mensch, der das nicht ist.
6. Dialog: Deine Figuren können noch so gut charakterisiert und beschrieben sein, wenn die Dialoge wie aus einer Soap-Opera klingen, wird sie trotzdem niemand ernst nehmen. Kein Mensch sagt Dinge wie "O meine Geliebte, deine blauen Augen blicken mich verzweifelt an, aber ich kann nichts daran ändern - es ist wie es ist, ich bin dem Tode geweiht". Das reizt Leser höchstens zum Lachen.
Nochmal: Lass deine Figuren unterschiedlich sprechen, denn kein Mensch redet wie der andere. Das ist abhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und Temperament. Ein Dialog wirkt nur echt, wenn der Leser die Eigenarten deiner Prots spüren kann.
7. Aufbau: Eine Geschichte kann eine Einleitung, einen Hauptteil und einen Schluss haben, oder der Leser wird ohne viel Vorspiel mitten in die Geschichte geworfen und verlässt sie relativ abrupt wieder. Von diesen Mustern kann man natürlich abweichen. Allerdings sollte eine Geschichte mindestens einen Protagonisten und eine Handlung haben.
8. Handlung: Eine Kurzgeschichte braucht eine Handlung. Du hast dir überlegt, was du schreiben möchtest, und wahrscheinlich auch, warum du darüber schreiben möchtest. Aber damit ist es noch nicht ganz getan.
Die Handlung muss für den Leser nachvollziehbar sein. Das heißt, Ereignisse, die nicht eingeführt bzw. im Nachhinein zumindest ein wenig erklärt werden, erzeugen bestenfalls Verwirrung beim Leser, schlimmstenfalls Desinteresse.
9. Inhaltliche Stringenz: Behalt im Augen, dass der Leser nicht all das weiß, was du weißt. Vergiss nicht, dir als Autor steht eine Menge Hintergrund zur Verfügung, den der Leser nicht hat. Ist der Text ohne diesen Hintergrund verständlich?
Überlege dir also vor dem Hintergrund der beiden letzten Punkte, ob du die Geschichte so aufgebaut hast, dass der Leser sie verstehen kann.
10. Recherche: Schreib niemals über Dinge, von denen du keine Ahnung hast. Das wirklich fiese an so einer Sache ist, dass der Leser es nicht merkt, wenn die Details stimmig sind. Alles, was du damit erreichen kannst, ist, dass die Geschichte ein harmonisches Gesamtbild ergibt. Aber wenn sie nicht stimmen, dann fällt das auf.
11. Dramatik: Die Dramatik einer Geschichte muss nicht die Hauptsache sein. Den meisten Lesern ist eine wirklich gute Geschichte über etwas Triviales lieber als ein Text, der sich dramatisch im Selbstmitleid ergeht und den Leser nur langweilt.
12. Perspektive: Wenn du zuerst von „ich“ und dann von „er“ schreibst, sind deine Leser bestenfalls nur verwirrt. Erzählungen, die wild durch alle Perspektiven hin und her springen, erschweren es dem Leser, ins Geschehen einzutauchen.
Wenn du dieselbe Situation zuerst aus den Augen von A, dann aus den Augen von B und dann vielleicht auch aus denen von C schilderst, und das alles möglichst noch während des laufenden Geschehens, hast du zwar einen guten Gesamtüberblick über die Szene, der Leser hat aber niemanden, mit dem er sich identifizieren kann.
13. Füllwörter: Es passiert häufig, dass der ganze Text voller Füllwörter steckt, und man hat keine Ahnung, wie sie da hingekommen sind. An einigen Stellen sind diese Wörter sinnvoll, an einigen nicht. Sinnvoll sind sie bei der direkten Rede – das macht sie lebendig. Aber bei reinen Beschreibungen sollte man sie vermeiden. Hältst du aber ein Füllwort für gerechtfertigt, lass es ruhig stehen.
Es gibt im Netz kostenlose Programme, die Texte auf Füllwörter untersuchen – eines davon ist hier zu finden:
14. Wortwiederholungen: Oftmals verfolgt man einen Gedanken, das führt dazu, dass im folgenden (oder übernächsten) Satz gleiche oder ähnliche Worte erneut vorkommen. Besonders oft passiert das bei Eigennamen und sonstigen Substantiven. Wenn es klar ist, wer oder was da gerade gemeint ist, kann man sie mit Pronomina oder Synonymen ersetzen. Von Zeit zu Zeit können Wortwiederholungen allerdings auch als Stilmittel eingesetzt werden.
15. Satzrhythmus: Oft beginnt man Sätze mit "Dann" oder "Daraufhin", oder man schreibt immer wieder "A tut dies. B tut das." usw. Das ist meist zu monoton. Erst das Haupt-Nebensatzgefüge verleiht dem Text seine Melodie.
Schreibe niemals Sätze, durch die du selbst nicht durchblickst. Pass also auf die Satzlänge auf. Wenn der Satz so lang wird, dass du dich verhedderst, ist er zu lang. Benutze keine Wörter, von deren Bedeutung du nicht hundertprozentig überzeugt bist. Wenn du als Autor den Satz nicht vorlesen kannst, ohne mit der Betonung ins Schleudern zu kommen, dann ist er zu lang.
16. Prägnanz: Versuche möglichst klar und prägnant zu schreiben. Natürlich ist auch das Geschmackssache, aber ein Satz, der etwas auf den Punkt bringt, wirkt ungleich stärker auf den Leser als einer, der vage und völlig undefiniert im Raum schwebt. Ziel soll es sein, mit wenigen Worten eine klare Aussage zu treffen.
Versuche also, möglichst treffende Worte zu finden, die genau das ausdrücken, was du sagen möchtest, damit du nicht groß beschreiben musst, was du meinst.
Natürlich kann es auch opportun sein, mal im Ungefähren zu bleiben, daher soll man von Fall zu Fall entscheiden, wo es sinnvoll ist, dem Leser das plastischere, eindrucksvollere Bild zu geben und wo nicht.
17. Verben: Verben sind das Salz in der Suppe. Ohne sie funktioniert kaum ein Satz und schon gar keine Geschichte. Und gerade deshalb sollte man darauf achten, welche Verben man verwendet.
Hilfsverben (sein, haben, werden) provozieren Wortwiederholungen und sagen zudem nichts aus. Deshalb sparsam verwenden.
Inhaltsarme Verben (laufen, gehen, sehen u.s.w.) verallgemeinern nur, wirken langweilig und provozieren das Verwenden unnötiger Adjektive.
18. Verwendung von Vergleichen: "Er kämpfte wie ein Löwe" ist mittlerweile nur noch langweilig. Nicht das schreiben, was einem als erstes einfällt, denn das fällt wahrscheinlich auch allen anderen als erstes ein. Aber Achtung: Die Vergleiche sollten der Situation angemessen bleiben.
19. Letzte Arbeiten: Gründlich auf Rechtschreibfehler prüfen! Das wird z.B. vom MS-Word und auch vom Open-Office überprüft, aber die haben nicht immer Recht. Allerdings sind sie besser als die Eingabefenster von Browsern, in die man den Text zum Posten reinstellt. Aber wenn man gar nichts hat, ist auch die Browserprüfung eine wertvolle Hilfe.
Vor dem Posten solltest du die Geschichte noch einmal eine Weile liegenlassen, je nachdem, wie fit du in Rechtschreibung, Grammatik und Stil bist, ein paar Tage sollten aber schon sein. Danach lese den Text noch einmal durch, dann hast du ein bisschen Abstand gewonnen.
Fast alle, die hier Geschichten lesen, lesen diese am Bildschirm. Deshalb ist es wichtig, die äußere Form des Textes ansprechend zu gestalten. Achte darauf, genug Absätze zu machen. Viele Absätze entzerren den Text und erleichtern das Lesen. Aber es ist nicht nötig, nach jedem Satz einen Absatz zu machen, dann wird das Scrollen sehr anstrengend.
Ganz wichtig: Benutze die Vorschaufunktion (die Lupe) der schambereich-Software, um zu überprüfen, ob die endgültige Darstellung auf dem Bildschirm deinen Wünschen entspricht. Wenn nicht, dann korrigiere den Text solange, bis es stimmt.
Es sollte selbstverständlich sein, dass all diese Punkte nur Vorschläge sind, die man befolgen kann oder auch nicht. Und natürlich können hier weitere Vorschläge gemacht werden, denn diese Liste ist erstens nicht vollständig, und zweitens gibt es vielleicht welche, die Teile dieser Aufstellung oder gar das Ganze anders sehen.