ZitatOriginal von notapolitician
Du scheinst davon auszugehen, daß Grundrechte, Gesetze, Rechtsprechungspraix und Strafverfolgungspraxis gleichsam zwangläufif insgesamt stimmig seien, so daß Du damit argmentieren kannst: "Was keinen Sinn ergibt, kann nicht die Realität sein". Das ist aber nicht so.
Ich gehe nicht davon aus. Natürlich muss jemand erst einmal zum Bundesverfassungsgericht gehen, damit eine einfachgesetzliche Bestimmung, die von ihrem Wortlaut her grundrechtswidrig ist, auch formal als eine solche erklärt wird. Bisher hat es offenbar niemand getan, und ich kann mir auch denken warum: Wer das tut, wird in der Öffentlichkeit stehen und von gewissen Medien als potenzieller Kinderschänder hingestellt werden. Wenn es einmal einen Künstler gibt, der sich darum nichts schert, wird es vielleicht eine Entscheidung geben.
ZitatIch habe ja schon darauf hingewiesen, daß mit dem § zur Jugendpornographie eine EU-Richtlinie umgesetzt wurde. Hier gilt, daß Gemeinschaftsrecht vor dem Recht der MGS gilt, auch vor derem Verfassungsrcht einschließlich Grundrechte. Nun gibt es zwar auch auch Gemeinschaftsebene Grundrechte einschl. einer Kustfreiheit, aber der zuständige EuGH hat in mehreren Jahrzehnten *noch nie* einen Gemeinschaftsrechtsakt wegen Grundrechtsverstoß für nichtig erklärt.
Nun, das ist ohnehin Wasser auf meine prinzipiell euroskeptischen Mühlen, ich mag die EU ja schon deswegen nicht, weil sie ein Gebilde mit hohen Demokratie- und Rechtsstaatlichkeitsdefiziten ist. Der EuGH konnte bisher gar nicht entscheiden, dass ein Gesetz grundrechtswidrig ist, weil das Gebilde EU gar keine Grundrechte hatte. Mit dem Vertrag von Lissabon hat sich das angeblich geändert, aber der Rechtsweg ist schwierig und teuer. Fraglich, ob ein Schriftsteller oder Internet-Seitenbetreiber diesen jemals gehen wird wollen. Und wenn dieses Risiko niemand eingeht, bleibt ein Gesetz bestehen, obwohl es grundrechtswidrig ist.
Nichtsdestotrotz darf ein Roman wie die "Mutzenbacherin", der in den 90ern von einem Gericht als "Kinderpornographie" bezeichnet wurde (und deshalb ab dann nur an Erwachsene verkauft werden durfte), weiterhin verkauft werden. Also irgendwie dürfte das Gesetz doch nicht so vollzogen werden, wie es manche Leute, insbesondere viele Webseitenbetreiber, meinen.
ZitatAchso, und zu Erklärung: Leseratte hatte früher den Nick "Leser", iund eine andere, mehrköpfige Besetzung
Danke, nun ist also dieses Rätsel gelöst.