Michel und die Huren

  • Was ein Spaß! Natürlich ist es hilfreich, Iny Lorentz gelesen zu haben (wer hat das nicht?), doch auch so ist dieser neue Streich von Federmeister Romanowsky ein Lesevergnügen erster Güte. Gewiss lugt die Wanderhure Maria da durch jede Ritze. Doch es ist schon ein Genuss für sich, mitzuverfolgen, wie sauber diese Story die Welt des ausgehenden Mittelalters herausarbeitet, statt nach hastiger Entfernung von ein paar Kostümen zur Sache zu kommen. Und wer hätte je das Schreiben unternommen und sich nicht an guten Vorbildern orientiert? Das ist mir jedenfalls allemal lieber als schlecht und hastig zusammengestolperte Gossenergüsse.


    Vor allem aber freut der angenehm unaufdringliche und doch plastische Umgang mit Erotik und weiblicher Nacktheit in der Story. Das ist nämlich in meinen Augen das große Ärgernis bei Iny Lorentz' Wanderhure: Plot und Titel sind reine Absatzschinder; die Geschichte ist gut erzählt, aber so unerotisch wie mein altes Kirchengesangbuch.


    Auj jeden Fall lesens- und fortsetzenswert! Ich bin schon ganz gespannt ... :D


    Nico S.

  • Natürlich habe ich vor Jahren Iny Lorenz’ Wanderhure gelesen. Die Geschichte hatte mich sicherlich inspiriert. Aber auch Frank Schätzings mittelalterlicher Krimi „Tod und Teufel“ hat mein Interesse gerade an dieser Zeit geweckt. Bei Schätzing sind mir dann ein paar Dinge aufgefallen, die nicht passten. So gab es am Anfang der Geschichte gleich mal eine Entfernungsangabe in Kilometern und die Abmessung von Bauplänen wurde in Metern angegeben. Das Metrische Maßsystem wurde aber erst Ende des 18. Jhdt. eingeführt.


    Es wurde mir klar, dass für meine Geschichte umfangreiche Recherchen notwendig würden. Welche Maße, Gewichte Währungen gab es zu jener Zeit. So konnten die einfachen Leute auch keine Kartoffelsuppe essen, weil es Kartoffeln damals in Europa noch nicht gab. Viele Städte von heute gab es noch nicht und damals wichtige Orte sind bis heute zur Bedeutungslosigkeit verblasst.
    Hinter den unterstrichenen Worten in der Geschichte verbergen sich Links zu weiterführenden Infos für den Leser, sozusagen als Quellenverzeichnis.

  • So ganz erfolgreich war die Recherche dann aber doch nicht, Papst Johannes XXIII jedenfalls fällt zeitlich eher in die 1960er. ;)


    Über die "mittelalterliche Kartoffelsupe" im Themenrestaurant amüsiere ich mich auch jedesmal, eine Entfernungsangabe in Kilometern im deskriptiven Text dagegen ist zwar "stimmungsschädlich", zum Fehler wird es aber erst, wenn die Figuren den Begriff verwenden.


    So, jetzt aber wieder Klugscheißmodus aus und ein dickes Lob an den Autor, besonders die lebhafte Schilderung der naiven Vorstellungen des Michel fand ich hochgradig unterhaltsam :)

  • Klugscheißmodus ein:
    Das mit dem Papst Johannes XXIII hat schon seine Richtigkeit. Den gab es nämlich 2x Nämlich 15. und im 20. Jhdt. Nähere Infos siehe in meiner Geschichte. Hinter dem unterstrichenen Ortsnamen Konstanz verbirgt sich ein Link, in dem das genau erklärt ist! :D 
    Klugscheißmodus aus!
    Ich wusste es, dass mir da einer auf den Leim geht.:D:D:D
    Danke für den Kommentar nota!

  • Eine sehr schöne Geschichte, locker, mit hintergründigem Humor.


    Als Liebhaber historischer Romane fällt mir das Urteil nicht schwer.
    Die Sprache ist der Zeit abgepaßt, die Story rund und gut nachvollziehbar, Hintergründe gut recherchiert.
    Eigentlich ist der Michael zu beneiden, welcher junge Mann träumt nicht von solch einer Gelegenheit .... Ich hoffe er überlegt es sich noch anders, läßt seine Schweine sausen und rennt dem Fuhrwerk hinterher.


    Warte gespannt auf die Fortsetzung.


    Fuzzi

  • Ja, der Michel!
    Meine Hoffnung wurde nicht enttäuscht, doch dass der Michel auch noch den Talentscout gibt ... das hätte ich nicht erwartet.
    Eine wahrliche vergnügliche Geschichte, gut geschrieben.
    Bitte mehr davon.
    Fuzzi

  • Eine schöne Geschichte im historischen Kontext, was sehr selten ist – wahrscheinlich des Rechercheaufwands wegen. Die Geschichte ist glaubwürdig, wenn auch ich die Wandlung Michels von einem Knaben zu einem Mann, der fähig ist, Geschäfte in der Stadt abzuwickeln (Kleiderkauf), als zu schnell empfinde.


    Zwei kleine Bemerkungen noch:
    1. Die Entfernungen wurden damals in Schritten und nicht in Ellen gemessen – das war kleineren Teilen wie Möbeln und Textilien vorbehalten.
    2. ‚Frawenhaus’ statt Frauenhaus zu schreiben finde ich eine unnötige Betonung des Alten – man weiß ja sowieso, in welchem Jahr man sich befindet. Aber interessant finde ich die Wandlung des Begriffes Frauenhaus als einem Hurenhaus zu Frauenhaus unserer Tage als Schutzhaus für Frauen.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend