Beiträge von Renegade

    Urteile aus der Zeit zu suchen ist mir nun zu aufwändig, tut mir leid.


    Aber ich kann die damals gültige Fassung der Strafnorm hier einfügen. Dort stand aber mehr der bereits erwähnte Begriff der "unzüchtigen Schriften" (oder anderer Dinge oder Handlungen, die "unzüchtig" sein konnten) im Vordergrund. Der Begriff ist aber eng mit "sittlich/unsittlich" verbunden, da eine "unzüchtige Schrift" meint, dass diese das Sittlichkeitsempfinden der Allgemeinheit - angeblich oder tatsächlich - verletzt (was nicht überraschend ist, da "unsittlich" ein mögliches Synonym für "unzüchtig" ist ...).



    §184 StGB a. F. (1927-1965)

    (1) Mit Gefängniß bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer

    1. unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen feilhält, verkauft, vertheilt, an Orten, welche dem Publikum zugänglich sind, ausstellt oder anschlägt oder sonst verbreitet, sie zum Zwecke der Verbreitung herstellt oder zu demselben Zwecke vorräthig hält, ankündigt oder anpreist;

    2. unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen einer Person unter sechzehn Jahren gegen Entgelt überläßt oder anbietet;

    3. Gegenstände, die zu unzüchtigem Gebrauche bestimmt sind, an Orten, welche dem Publikum zugänglich sind, ausstellt oder solche Gegenstände dem Publikum ankündigt oder anpreist;

    3a. wer in einer Sitte oder Anstand verletzenden Weise Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Verhütung von Geschlechtskrankheiten dienen, öffentlich ankündigt, anpreist oder solche Mittel oder Gegenstände an einem dem Publikum zugänglichen Orte ausstellt;

    4. öffentliche Ankündigungen erläßt, welche dazu bestimmt sind, unzüchtigen Verkehr herbeizuführen.


    (2) Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte sowie auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden.



    Interessant für die Fragestellung wegen "sittlich/unsittlich" im Kontext des FKK-Magazins ist aber vielleicht auch das damalige "Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften" (GjS) vom 09.06.1953. Hier aber nur auszugsweise (vieles ist irrelevant für die Fragestellung):


    §1 Abs. 1 GjS a. F.: Schriften, die geeignet sind, Jugendliche sittlich zu gefährden, sind in eine Liste aufzunehmen. Dazu zählen vor allem unsittliche sowie Verbrechen, Krieg und Rassenhaß verherrlichende Schriften. [...]

    §1 Abs. 3 GjS a. F.: Abbildungen sind Schriften im Sinne dieses Gesetzes gleichzustellen.


    §3 GjS: Eine Schrift darf, sobald ihre Aufnahme in die Liste bekanntgemacht ist, einem Jugendlichen unter achtzehn Jahren nicht feilgeboten oder zugänglich gemacht werden.


    §6 Abs. 1 GjS a. F.: Schriften, die Jugendliche offensichtlich sittlich schwer gefährden, unterliegen den Beschränkungen §§3 bis 5, ohne dass es einer Aufnahme in die Liste und einer Bekanntmachung bedarf.

    §6 Abs. 2 GjS a. F.: Das gleiche gilt für Schriften, die durch Bild für Nacktkultur werben.


    Die Strafandrohung bei vorsätzlichem Verstoß der §3 bis §6 waren bis zu 1 Jahr Freiheitsstrafe und Geldstrafe (ohne genauere Angabe), oder eine der beiden Strafen (also entweder Freiheitsstrafe oder Geldstrafe). Wurde fahrläßig gegen die Paragraphen verstoßen, war auf Geldstrafe zu erkennen (vgl. §21 GjS a. F.). Wie beim heutigen §184 Abs. 2 StGB gab es eine Ausnahmeklausel, falls eine erziehungsberechtigte Person einem Jugendlichen eine solche Schrift überlässt/zugänglich macht (§21 Abs. 2 GjS a. F.). Dann war es ohne Einschränkungen straflos; heute kann es dennoch strafbar sein, wenn das "Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen" eines pornografischen Inhalts die "Erziehungspflicht gröblich verletzt".



    Ich nehme aufgrund von §6 Abs. 2 GjS a. F. an, dass das von dir erwähnte FKK-Magazin auch ohne Aufnahme in die Liste zumindest nicht an Jugendliche unter 18 Jahren hätte überlassen (etc.) werden dürfen. So gesehen spielte der Versuch der Herausgeber, "sittliche Reinheit" sicherzustellen, diesbezüglich keine Rolle.


    Es kann aber durchaus sein, dass mit "sittlicher Reinheit" hier der Versuch beschrieben wurde, sicherzustellen, dass die Bilder nicht als "unzüchtig" gelten - und damit nicht unter §184 StGB a. F. fallen.


    P.S. Nein, bin ich nicht ;)

    Ich habe den Eindruck, dass du hier das u.a. US-amerikanische Rechtssystem bzw. den Common Law-Rechtskreis mit den Rechtssystemen hier bei uns ("römisch-germanischer Rechtskreis") verwechselst. Präzedenzfälle spielen in unseren Rechtssystemen eine recht untergeordnete Rolle, v.a. im Strafrecht ("Richterrecht" wird aber im Zivilrecht der Schweiz z.B. als Rechtsquelle anerkannt; vielleicht beziehst du dich darauf?).


    Im deutschem Recht ist kein Gericht an die Entscheidungen anderer Gerichte gebunden, sondern entscheidet jeweils eigenständig auf Grundlage der jeweils geltenden Gesetze. Als Rechtsquelle dient daher vorrangig das gesatzte Recht, also jene Gesetze, die mittels eines legitimen Gesetzgebungsprozesses entstanden sind (im Gegensatz zu Richterrecht, das sich durch die Rechtssprechung ergibt; Gewohnheitsrecht kann aber bis zu einem gewissen Grad auch als Rechtsquelle dienen).

    Eine Ausnahme bilden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes; da spricht man dann aber eher von Grundsatzentscheidungen, nicht von Präzedenzfällen. Diese Grundsatzentscheidungen sind für alle anderen Gerichte bindend. Entscheidungen der Obergerichte, auch Bundesgerichte (wie der Bundesgerichtshof, BGH) sind für untergeordnete Gerichte jedoch nicht bindend. Allerdings muss ein untergeordnetes Gericht gute Gründe haben, eine Entscheidung zu vertreten, die nicht konform mit der Auslegung des z.B. BGH geht (da u.a. dann ein Risiko besteht, dass das Urteil in der nächsten Instanz aufgehoben wird).

    Urteile übergeordneter Gerichte können also erhebliche Orientierungswirkung haben, sind aber dennoch nicht bindend. Und sie betreffen, im Gegensatz zum Common Law-Rechtskreis, in aller Regel "nur" die Auslegung von Gesetzen; es wird also nur selten eine neue Rechtsnorm dadurch geschaffen (wie beim Case Law im Rahmen des Common Law, worauf sich die große Relevanz von Präzedenzfällen in jenem Rechtskreis gründet).



    In Bezug auf das Ausgangsthema ist mir auch nicht ganz klar, was für einen Anwendungsfall du dir hier mit "Abmahnjuristen" vorstellst. Es geht doch um z.B. Bilder in einem Magazin, oder moderner auf einer Webseite, bei denen es um die Frage geht, ob sie "sittlich" oder "unsittlich" sind (oder "nicht strafbar" oder "strafbar"). Wer soll denn da genau "abmahnen", also wer ist da der Kläger, in dessen Auftrag der "Abmahnjurist" tätig wird?


    Entweder es handelt sich dann um illegale Pornografie bzw. korrekter um einen gemäß der jeweiligen Strafnorm rechtswidrigen Umgang mit einem pornografischen Inhalt (siehe meine Antwort oben) - dann spielt das Zivilrecht, worunter m.E. "Abmahnjuristen" fallen, erstmal keine Rolle, insbesondere dann nicht, wenn das jeweilige Bild überhaupt nichts mit dem Mandanten des "Abmahnjuristen" zu tun hat (wenn doch, dann evtl. zivilrechtliche Ansprüche, siehe unten).

    Oder was sollen die dann "abmahnen"? "Entweder Sie löschen das strafbare Bild - das in keinerlei Beziehung zu unserem Mandanten steht - und zahlen uns den Betrag XY, oder wir melden es der Staatsanwaltschaft?" Das ist keine Abmahnung, sondern Erpressung ...).


    Oder es handelt sich um eine zivilrechtliche Angelegenheit, die einen Unterlassungsanspruch oder ein Anspruch an Schadensersatz/Schmerzensgeld begründet (z.B. wegen Verletzung des Urheberrrechts oder sonstigen gewerblichen Rechtsschutzes, oder des Rechtes am eigenen Bild etc.) - dann spielt die Unterscheidung in "sittlich/unsittlich", v.a. in Hinblick auf Strafbarkeit, keine Rolle. Dann geht es eben nur darum, ob und welche Rechte des Klägers durch den Beklagten beeinträchtigt wurden.

    Aber darum schien es mir aber bei der Ursprungsfrage nach "sittlich/unsittlich" eben nicht zu gehen. Wenngleich man natürlich moralisch sagen kann, dass es "unsittlich" ist, ein Bild, erst recht ein Nacktbild, ohne Erlaubnis der abgebildeten Person zu veröffentlichen bzw. zu verwenden. Aber das kann eben auch bereits strafbar sein, also Gegenstand des Strafrechts bilden.


    (Daher der Vollständigkeit und Korrektheit halber: Natürlich können zivilrechtliche Ansprüche zusätzlich zu strafrechtlicher Verfolgung dazukommen, wenn die entsprechenden Bedingungen erfüllt sind; sie sind dies oft bei §201a StGB und bei §184k StGB, siehe oben).


    Allein auf der Grundlage dessen, dass ein Bild "unsittlich" sei, hat ein "Abmahnjurist" doch überhaupt nichts, das er abmahnen könnte (?). Allenfalls noch, falls auf einer Webseite oder einem Messengerdienst usw. gegen die Nutzungsvereinbarungen verstoßen wird (die Nutzungsvereinbarungen z.B. verbieten, explizite Nacktfotos zu posten, das aber dann getan wird). Aber auch das hat nichts mit einer Einordnung in "sittlich" und "unsittlich" zu tun (es sei denn, die Nutzungsvereinbarungen nennen das zufälligerweise gerade so).

    Es kommt m.E. darauf an, wozu die Unterscheidung "sittlich/unsittlich" überhaupt benötigt wird. M.E. kann man in dem genannten Kontext mindestens drei Anwendungsbereiche unterscheiden:


    1. Als Kriterium für die Entscheidung, bestimmte Bilder (abstrakter: Inhalte) in einem Medium, z.B. den eingangs erwähnten FKK-Magazinen, zu zeigen. Das hat bspw. mit eigenen Standards zu tun, die man als Herausgeber aufrechterhalten möchte ("Ein gewisses Niveau wahren"; daher nichts, das intern als "unsittlich" beurteilt wird), oder mit den (angenommenen) Erwartungen des Zielpublikums bzw. der Kunden, die man nicht enttäuschen möchte. Mit Legalitätsfragen hätte dies aber nichts bzw. nur am Rande zu tun (vorausgesetzt, dass von Vorneherein versucht wird, den jeweiligen rechtlichen Rahmen einzuhalten).


    2. Als Kriterium zur Zugehörigkeit zu einer bestimmten (Kunst-/Medien-)Gattung, die man evtl. verteidigen möchte. So möchte man z.B. als Erotik- oder Aktfotografie-Hersteller in der Gesellschaft (oder zumindest in den für einen selber relevanten "Peer-Gruppen") wahrgenommen werden, und versteht "sittlich" als relevantes Kriterium, um diese Zugehörigkeit zu begründen (während diejenigen, die "unsittliche" Bilder herstellen und veröffentlichen, nicht oder nur schwer dazu gehören). Auch das hätte erstmal nichts mit Legalitätsfragen zu tun (wiederum vorausgesetzt, dass versucht wird, den rechtlichen Rahmen einzuhalten).


    3. Als Unterscheidung für Inhalte, die legal sind ("sittlich") und jenen, die illegal sind ("unsittlich"), und damit das Strafrecht (nicht oder nicht primär das Zivilrecht) berühren.


    Ich beschränke mich mal auf den dritten Punkt, wobei ich grundsätzlich nur für das deutsche und z.T. das schweizerische Strafrecht sprechen kann; das österreicherische Recht kenne ich zu schlecht. Jedoch gehören alle drei Strafrechtssysteme demselben Rechtskreis an und sind oft ähnlich (was aber natürlich nicht heißt: identisch!), v.a. bei den grundlegenden rechtsphilosophischen Voraussetzungen.


    Eine Antwort auf Punkt 3 erstmal kurz gefasst:

    Die Unterscheidung zwischen "sittlich" und "unsittlich" ist strafrechtlich irrelevant.


    Im deutschen Strafrecht ist dies seit den großen Reformen der 1970er-Jahre der Fall, als auch das Sexualstrafrecht erheblich reformiert wurde (13. Abschnitt des Strafgesetzbuches; dort sind auch die Pornografiedelikte verortet). Von dem Zeitpunkt an schützt das Sexualstrafrecht nicht mehr die private Ehre und die "öffentliche Moral", sondern wie der Rest des Strafgesetzbuches Rechtsgüter, und zwar im Falle des Sexualstrafrechts die individuelle sexuelle Selbstbestimmung (in der Schweiz sexuelle Integrität, was aber mehr oder weniger dasselbe Rechtsgut bezeichnet).

    Im älteren Reichsstrafgesetzbuch war dies in der Tat anders. Dort spielte "Sittlichkeit" und die Pönalisierung "unzüchtiger Schriften" noch eine Rolle. Letzteres war bis 1974 auch im Strafgesetzbuch der BRD der verwendete Begriff; danach wurde er durch "pornografische Schriften" ersetzt (unterdessen abstrakter gefasst als "pornografische Inhalte").

    Heute werden Rechtsnormen, bei denen der Verdacht besteht, sie würden eher Moralvorstellungen schützen statt anerkannte Rechtsgüter, von manchen Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftlern als (bloße) "Moralschutz-Delikte" kritisiert, da der Schutz von Moralvorstellungen allein nie ein Rechtsgut darstellt.


    Es kommt also strafrechtlich heute im deutschen Strafrecht nicht darauf an, ob ein Bild (oder Inhalt) "sittlich" oder "unsittlich" ist, sondern ob das Bild (oder der Inhalt) die jeweiligen (objektiven) Tatbestände erfüllt, so in §184 StGB (Verbreitung pornographischer Inhalte), §184a StGB (Verbreitung gewalt- oder tierpornographischer Inhalte), §184b StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte) oder §184c StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Inhalte).


    Ferner je nachdem auch §184k StGB (Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen) oder §201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen). Wir gehen im Folgenden aber davon aus, dass es sich um Bilder handelt, die nicht widerrechtlich aufgenommen und/oder verbreitet wurden, also im Folgenden §184k StGB und §201a StGB nicht relevant sind. (Wobei es bei §201a StGB nicht darauf ankommt, falls die abgebildete Person noch minderjährig ist; nach §201a Abs. 3 StGB unterliegt jedwede Nacktaufnahme einer Person unter 18 Jahre einem Verkaufs- und Erwerbsverbot sowie einem Herstellungsverbot, falls damit ein Verkauf beabsichtigt ist. Zu beachten ist allerdings, dass §201a StGB eine Ausnahmeklausel u.a. für Kunst besitzt, die auch den Abs. 3 umfasst; vgl. §201a Abs. 4 StGB).


    Da sog. "einfache Pornografie" in Deutschland legal ist, dient §184 StGB vorranging dem Jugendschutz, mit Ausnahme von §184 Abs. 1 Nr. 6 StGB, der auch erwachsene Bürgerinnen und Bürger vor unerwünschter Konfrontation mit Pornografie schützen soll (so kann z.B. ein von der Empfängerin/dem Empfänger nicht gewünschtes Zusenden von "Dickpics" gemäß dieser Nummer bestraft werden).


    Das aber bedeutet, dass die Frage nach "Sittlichkeit" sich verschiebt zu der Frage, wann ein Bild (ein Inhalt) "pornografisch" ist. Diese Frage stellt sich aber nur dann, wenn (!) ein bestimmter Umgang mit dem Bild (dem Inhalt) illegal wäre, falls das Bild (der Inhalt) im Sinne der jeweiligen Strafnorm als "pornografisch" gilt; "Umgang" meint hier Herstellung, Verbreitung/Drittbesitzverschaffung und/oder Eigenbesitzverschaffung/Besitz. Dies ist dann entweder illegal wegen Jugendschutz-Gründen, dem Schutz vor ungewollter Konfrontation mit Pornografie oder weil es sich um "harte Pornografie" handelt (bei der mindestens ein Verbreitungsverbot besteht). In allen anderen Fällen ist es strafrechtlich offenkundig völlig irrelevant, ob ein Bild (Inhalt) "pornografisch" ist oder nicht. Deshalb "erwartet" das Strafrecht sozusagen nicht, dass bei jedem Bild (Inhalt) grundsätzlich geklärt wird, ob es (er) "pornografisch" ist oder nicht; noch würden Gerichte ihre Zeit damit verschwenden, eine solche Einordnung ohne Anlass vorzunehmen. Eine solche Einordnung ist nur dann erforderlich, wenn möglicherweise objektive Tatbestände der erwähnten Strafnormen erfüllt werden.


    Aber was ist nun "pornografisch", wenn eine solche Einordnung erforderlich ist?


    Im Allgemeinen wird im Strafrecht gemäß z.B. Bundesgerichtshof(BGH)-Urteil von 2014 Folgendes unter "Pornografie" verstanden: "[...] Vermittlung sexueller Inhalte, die ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung eines sexuellen Reizes beim Betrachter abzielt und dabei die im Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertvorstellungen gezogenen Grenzen des sexuellen Anstandes überschreitet. Nach heutigem Verständnis bestimmt sich die im Einzelfall schwer zu bestimmende Grenze nach der Wahrung der sexuellen Selbstbestimmung des Einzelnen; pornographisch ist demgemäß die Darstellung entpersönlichter sexueller Verhaltensweisen, die die geschlechtliche Betätigung von personalen und sozialen Sinnbezügen trennt und den Menschen zum bloßen - auswechselbaren - Objekt geschlechtlicher Begierde oder Betätigung macht." (BGH 1 StR 485/13).


    Es ist aber nicht so, dass im Strafrecht nur "ein" Begriff der Pornografie verwendet wird. Vielmehr wies der BGH darauf hin, dass der Pornografie-Begriff strafrechtlich bei §184b StGB (Kinderpornografie) weiter zu fassen ist, es u.a. auf einen "vergröbernd-reißerischen Charakter" nicht ankommt (den man sonst bei Erwachsenen-Pornografie als relevantes Merkmal betrachtet oder betrachtet hat).

    D.h.: Was bei Bildern mit Erwachsenen noch nicht Pornografie (im strafrechtlichen Sinne) sein muss, kann es bei Bildern mit Kindern bereits sein. (Bei §184c StGB (Jugendpornografie) ist es rechtswissenschaftlich umstritten, inwieweit ein breiter gefasster Pornografie-Begriff zur Anwendung kommen sollte oder nicht - in der Rechtsprechung wird m.E. spätestens seit den Straftatsbestandserweiterungen hinsichtlich der "Posing"-Bilder auch hier eher breiter ausgelegt als enger).


    Jedoch muss die Einordnung als "pornografisch" noch nicht zwingend die Illegalität bedeuten, falls jeweils relevante objektive Tatbestände der genannten Strafnormen erfüllt sind: Die Kunstfreiheit besitzt Verfassungsrang, daher ist eine Abwägung im Prinzip möglich (Pornografie kann seit der sog. "Mutzenbacher-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts 1990 zugleich auch Kunst sein). So sind z.B. Texte, die erhebliche gewaltpornografische Elemente enthalten wie manche Bücher von de Sade aufgrund der Kunstfreiheit dennoch legal. Neben der Frage, ob ein Bild (ein Inhalt) "pornografisch" ist, ist daher dann auch zu fragen, ob es zugleich auch "Kunst" ist. Dies ist natürlich auch nicht leicht zu beantworten; klar ist nur, dass es nicht "qualitativ hohe Kunst" oder dergleichen sein muss (da es nicht den Gerichten obliegt, die künstlerische Qualität von einem Bild etc. zu beurteilen).


    Abschließend: Dass in Formulierungen wie "im Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertvorstellungen gezogenen Grenzen des sexuellen Anstandes" des BGH allerdings noch immer eine Vorstellung mitschwingt, die früher sicherlich mit dem Begriff der "Sittlichkeit" verbunden wurde, scheint nicht wirklich überraschend. Auch macht sich bei den Pornografiedelikten ihr Erbe als ursprünglicher "Moralschutz" weiterhin bemerkbar, trotz aller Versuche, sie als mittelbaren (!) Schutz der (v.a. kindlichen und jugendlichen) sexuellen Selbstbestimmung und als spezifische Maßnahmen des Jugendschutzes zu rekonzeptualisieren (vgl. dazu die m.E. gute Kritik an der gegenwärtigen Ausgestaltung der Pornografiedelikte von der Rechtswissenschaftlerin Dr. Anja Schmidt). Das aber wäre Gegenstand einer noch längeren und komplexeren Antwort.