Vergebung von burrhus

  • Vielleicht liegt mein Fehler darin, es einmal lesen und sofort verstehen zu wollen....


    Aber irgendwie lauf ich beim Lesen immer wieder gegen eine imaginäre Schrankwand, die Schädelbrummen verursacht.


    Ich glaube das eine Geschichte, so nach dem Motto:
    "Ich habe sie nicht gelesen, soll aber ganz gut sein!"


    Verwirr-verworr-nixkapier!


    Ich wage es nicht das jetzt zu bewerten


    klaas

  • Link zur Story


    Da zog einer aus, um mit sich selbst ins Reine zu kommen. Auf Chavas Kosten – einer jungen Frau, zunächst wehrhaft und geistesgegenwärtig, dann naiv, mitleidig freundlich, verhängisvoll lächelnd.


    Zitat

    Original 3klaas3 
    Ich wage es nicht das jetzt zu bewerten


    Ich kann das nachvollziehen.


    Wäre die Geschichte nicht so traurig . . . Aber sie ist es! Und sie ist handwerklich, stilistisch, sprachlich, spannungstechnisch gut aufgebaut.


    <<"Jeschajahu", entsprang deinen Lippen.
    Und kurz streifte die blasse Sonne den Ort der Toten.">>


    Caspar verändert sein Gesicht, ist nicht mehr er selbst, hasst sich nicht mehr, hasst sich noch viel mehr, trägt nun einen anderen Namen. Der Autor kennt ihn, Jesus auch, ich erahne ihn. Vergebung ausgeschlossen!


    Ich wollte den Plot eigentlich nicht durcharbeiten, aber ich tat es. Schwerer Stoff, m. E. nicht SB-geeignet, trotzdem lesenswert.

  • Erotisch angehaucht, dramatisch, künstlerisch sehr wertvoll. Ungewöhnlich hier im SB.


    Dieses Werk ist voll von rhetorischen Mitteln, scheinbar schlicht und doch so sehr komplex, bedeutungsschwanger.


    Auch nach dem 3. und 4. Mal Lesen rotiert mein Kopf vor lauter Interpretationsversuchen. Doch immer wieder kommt mir ein kleiner Hinweis, ein Satzteil nur, dann unlogisch vor.
    Wieder eine Geschichte, die etwas hinterlässt.
    Ein flaues Gefühl, Verwirrung, Herzklopfen und Neugier.
    Ich würde zu gerne mehr wissen darüber.
    Vielleicht meldet sich ja doch noch ein "Verstehender" zu Wort, oder gar der Verfasser selbst?



    Vielen Dank für solch ein Kunstwerk.
    LG beware

  • . . . m. E. nicht SB-geeignet . . .


    Aus heutiger Sicht betrachtet ist diese meine Aussage schlichtweg irreführend! :evil:


    Daher folgende Korrektur: Schwerer Stoff, anspruchsvoll, sehr lesenswert.


    Die Gedanken des Autors würden mich ebenfalls interessieren, die der anderen User natürlich auch.

  • Irgendwann in der Schule habe ich mal gelernt, dass es keine wahre Interpretation gibt.
     
    Aber ich versuch mal trotzdem Licht ins Dunkel zu bringen. :)
     

    Zitat

    Durch das nasskalte Dickicht führten mich meine frierende Schritte, den Berg hinauf scheinbar unendlich ins Nichts. Sonst war es hier oft windig, die goldenen Buchen rauschten im Sturm der kaltklaren Herbstage.


     
    Halten wir fest: Der Protagonist steigt einen Hügel bzw. Berg hinauf, dieser ist bewaldet und zwar ausschließlich mit Buchen.
    Im Herbst weht dort meist ein kalter Wind.
     

    Zitat

    Die Stadt lag hinter mir, unten, versunken im namenlosen Meer. Ich war den Plattenbauten entkommen. War den Ziegelreihen entflohen. Allein auf meinem unmöglichen Auftrag!


     
    Unten gibt es eine Stadt. Plattenbauten und Ziegelreihen weisen auf eine ältere, traditionsreiche Stadt im ehemaligen Ostdeutschland hin.
    UND: Der Protagonist scheint etwas vor zu haben!
     

    Zitat

    Bald würde ich auf die Straße treffen, wie sie sich gewunden durch die Hügel schnitt, in hämischen Zügen ihrem schrecklichen Ziel entgegenschlängelte.


     
    Eine Straße führt den Berg/Hügel hinauf, auf dessem Gipfel schreckliche Dinge passiert sind.
     

    Zitat

    Ich erinnerte mich an gestern. An die kühlen Gesichter: "Caspar!", hatten sie gesagt, "das ist doch nicht dein Ernst, warum denn gerade Jetzt?" Doch ich hatte mich entschieden, schon lange war der Entschluss in mir gereift, viel zu lange focht ich diesen schmerzenden Kampf in mir aus. Auf der einen Seite die Angst meine Identität zu verlieren, denn schon seit meiner frühen Schulzeit war ich mehr oder weniger dabei. Anderseits konnte ich es nicht mehr ertragen, diese Schuld, dieser Hass gegen mich selbst, den ich immer wieder auf die Anderen projiziert hatte. Es war wohl gut so, einen Schlussstrich zu ziehen. Jetzt!


     
    Der Protagonist steigt offenbar aus einer Gruppe aus, zu der er schon seit seiner Jugend gehört. Diese Gruppe projiziert Hass auf Andere.
     

    Zitat

    Schon als meine ersten Schritte auf dem harten Untergrund hallten, glaubte ich, dass jemand mit marschierte. Ein unbekanntes Heer aus Toten, mit milchig-weißen Gesichtern, leblos und schlaff, das hinter mir im Tritt folgte. Mich schauderte. Je länger ich ging, desto kälter wurde die Luft. Hinauf, hinauf zur großen Lichtung.


     
    Anscheinend starben an diesem schrecklichen Ort viele Menschen. Genauer gesagt auf der großen Lichtung auf dem Gipfel.
     

    Zitat

    Das Erste was ich durch den Schleier stechen sah, war ein Wachturm, der wie ein kubistischer Golem starr in den nicht vorhandenen Himmel ragte. Dann Stacheldraht und eine Art Tor.


     
    Wachturm/Stacheldraht/Tor: Ein Gefängnis, ein Arbeitslager.
     

    Zitat

    Da war es also, direkt vor mir, einem Menschen, der vor wenigen Wochen noch Witze darüber gerissen hatte.


     
    Der Protagonist schien dem jetzt so schrecklichen Ort vor kurzer Zeit noch geradezu höhnisch gegenüberzustehen.
     
    ...Und ich denke der Rest liest sich dann wie von Selbst.
    Vielleicht ist die Quintessenz des Textes zu Hart um ihn verstehen zu können, ich würde das jetzt so auch nicht mehr veröffentlichen...
     
    burrhus


    PS: Der Name des Ortes steckt in der Geographie!

  • Vielen Dank für die Erläuterungen, burrhus.
     
    Einige Zweifel sind jetzt weggeräumt.
    Mein erstes Gefühl hat mich nicht getrogen.
     
    Andere Passagen bleiben mir vage, was sicher mit meiner mangelnden Kenntnis der jüdischen Gesetze oder Bräuche zu tun hat. Bleibt also meine eigene Interpretation. Damit kann ich leben.
     
    "Vergebung" ist sicher auch ein Beispiel für mainstream- untypische Geschichten hier. Ich finde sie großartig, weil sie viel transportiert.
     
    lg beware