Auch Their Royal Highnesses The Duke and The Duchess of Cambridge wollten doch nur einmal bei CMNF (Abt. Exhibitionismus) mitmachen, oder etwa nicht?
baer
Busenblitzer, Nacktbananen: Die Sprache der Blöße
THOMAS KRAMAR (Die Presse)
Zum Fall der unfreiwillig ohne Oberteil abgebildeten Prinzessin Kate: ein Streifzug durch neue Ausdrücke für öffentliche Entkleidung.
Ein nackter britischer Prinz, eine britische Prinzessin und zwei österreichische Schauspieler in Unterhosen, und nun auch noch käufliche, ihrer Schale entkleidete „Nacktbananen“ (© „Heute“) bei Billa: Eine Welle der Entblößung schwappt dieser Tage über uns. Wir hier reagieren nicht wie einst Helmut Qualtinger im Sketch „Striptease“ mit einem offensiven „I ziag mi aa aus“, nein, wir legen bestenfalls das Sakko ab, um in gebotener Kühle zu konstatieren, dass sich in der Verbalisierung der Entkleidung in den letzten Jahren einiges getan hat.
Was der dezente Brite unter „wardrobe malfunction“ einordnen würde (was zirka unserem „Toilettenfehler“ entspricht), nennt der indezente Brite „nipple slip“. Deutschsprachige Boulevardjournalisten übersetzen das spätestens seit Janet Jacksons partieller Entblößung durch Justin Timberlake (im Februar 2004 beim Superbowl) mit „Busenblitzer“, Madonna ist das Gleiche bei ihrem Konzert in Istanbul im Juni 2012 nicht passiert, sie hat selbst eine Brust freigelegt (in Kombination mit der Rückenaufschrift „No fear“), aber es wurde in billigen Zeitungen genau so genannt.
So oszilliert dieser Begriff – im Gegensatz zur Bildung „nipplegate“ – zwischen Unfreiwilligkeit und Freiwilligkeit, zwischen peinlichem Missgeschick und bewusster, berechnender Zurschaustellung. Zwischen den beiden Polen also, zwischen denen sich öffentliche Nacktheit überhaupt bewegt; die Mitte, also die selbstverständliche, unaufgeregte, (angeblich) nicht erotisch aufgeladene Nacktheit wird immer seltener, die FKK-Strände werden leerer, die oben ohne badenden Frauen in Wiener Bäder rarer.
Nur mehr mit höhnendem Unterton an die paradiesische Idee, dass Nacktheit unschuldig sei, spielt die der Kindersprache entnommene Formulierung „sich nackig machen“ an: So nennen es Blätter wie „Österreich“ oder „Heute“, wenn (meist viertel- bis halbberühmte) Frauen sich nackt fotografieren lassen, um in die Medien zu kommen. Weniger naiv, eher offensiv wirkt das derzeit grassierende Wort „blankziehen“. Es ist nicht, wie ich anfangs gedacht habe, ein Anglizismus („to draw a blank“ heißt vielmehr „eine Niete ziehen“), sondern ein ursprünglich deutsches Verb mit der Hauptbedeutung „das Schwert aus der Scheide ziehen“. Hier schwingt also die Vorstellung von der Selbstentblößung als (nicht einmal unbedingt erotischer) Aggression mit, wie sie auch eine ukrainische „Femen“-Aktivistin ausgedrückt hat, als sie gesagt hat: „Unsere Brüste sind unsere Waffen.“ Als unpassende Verharmlosung würde es dagegen wohl empfunden, wenn einer die Ausstellung eines männlichen Exhibitionisten als „blankziehen“ beschriebe. Und wenn nicht das Glied, sondern nur der Bauch blank gezeigt wird?
Wir sehen, hier gibt es noch viel zu grübeln und studieren. Wie gesagt, in aller Kühle. Zur Kalmierung kann oft ein weiteres Zitat aus Qualtingers „Striptease“ dienen. Der Handlungsreisende quittiert das Ende der erotischen Darbietung sachverständig mit: „In Attnang-Puchheim ziagn's des a no aus.“
E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2012)