Inzest straffrei?

  • Um den Thread zu Nicos wunderbarer Geschichte "Im Netz gefangen" nicht zu überlasten, schreibe ich hier in einem neuen Thread.


    Die strafrechtliche Problematik im historischen Umfeld und weitere interessante Beiträge findet man gut zusammengefaßt bei wikipedia unter



    Damit das Ganze nicht so abstrakt bleibt, präsentiere ich folgende Beispiele:


    1. Inzestfall in Bayern:
    "Das halbe Dorf wusste davon"


    34 Jahre lang soll Adolf B. (69) aus Willmersbach seine eigene Tochter vergewaltigt haben, drei gemeinsame Kinder soll es geben. Sein Verteidiger sagt nun: Die Beziehung war einvernehmlich - und bekannt.


    "Mein Mandant streitet nicht ab, Geschlechtsverkehr mit seiner Tochter gehabt zu haben. Dies geschah jeweils einvernehmlich und ohne Anwendung von Gewalt durch meinen Mandanten. Die Tochter des Angeschuldigten ist die einzige Zeugin für die Schuldvorwürfe, die in keiner Weise objektivierbar sind.", sagt der Anwalt des Vaters.


    Wie beweist man das Gegenteil?


    "Das jahrzehntelange Stillhalten des Opfers, das bis zuletzt mit seinen Kindern im elterlichen Haushalt gewohnt hat, versuchte die Oberstaatsanwältin mit Abschottung und hohem psychischen Druck zu erklären: "Das ist sehr schwer nachvollziehbar, aber der Vater soll sehr autoritär gewesen sein und die Frau ständig beim Einkaufen und Autofahren begleitet und soziale Kontakte unterbunden haben."


    Weitere schreckliche Details aaO.


    2. Inzestfall von Amstetten
    "Alle Dimensionen gesprengt"


    "In Österreich hielt ein Vater seine Tochter und mehrere mit ihr gezeugte Kinder jahrzehntelang in einem Kellerverlies gefangen. Inzwischen hat der Mann gestanden. Mitleid hat er nicht.


    Die Polizei beschrieb Josef F. als einen Mann, der herrisch, autoritär und bestimmend auftrat. Die Frau des 73-Jährigen sowie andere Familienmitglieder sagten aus, sie hätten von den unglaublichen Vorgängen im Kellerverlies nichts mitbekommen."


    Wie beweist man das Gegenteil?


    Nico geht natürlich von einverständlichem Sex zwischen Erwachsenen aus. In der Famile läßt sich das Einverständnis und das Gegenteil davon aber oft nur ganz schwer beweisen, wie die geschilderten Fälle zeigen.


    Ein Tabuthema für das Café Eros?


    baer

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

  • Zitat

    Original von baer66
    Nico geht natürlich von einverständlichem Sex zwischen Erwachsenen aus. In der Famile läßt sich das Einverständnis und das Gegenteil davon aber oft nur ganz schwer beweisen, wie die geschilderten Fälle zeigen.


    In Familien lassen sich auch andere Delikte schwer beweisen – wegen des Zeugenverweigerungsrechts, das jedem engen Verwandten zusteht.


    Auf jeden Fall: Es ist ein Anachronismus, wenn nur vaginaler Verkehr zwischen den nahen Verwandten unter Strafe steht, nicht aber alle anderen sexuellen Handlungen.


    Wenn der Gesetzgeber mit diesem Gesetz Inzucht, d.h. die Geburt genetisch defekten Kinder, verhindern wollte, dann müsste er so ein Gesetz, d.h. Verbot des vaginalen Verkehrs, auch für alle Menschen erlassen, die Träger einer schweren Erbkrankheit sind (z.b. Mukoviszidose).


    Dass dem nicht so ist, entpuppt sich der Inzestparagraph als aus überkommener Moral stammend. Ich bin der Meinung, dass der Staat sich aus so privaten Sachen wie Sex unter Erwachsenen heraushalten sollte.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • baer, deine Beispiele haben alle absolut nichts mit meiner Ueberlegung zu tun. Mir geht es ausschliesslich um freiwilligen Sex unter Volljaehrigen, und ich finde es nicht sehr fair, wenn du gleich zu Anfang die Diskussion doch wieder auf die Schiene draengst, dass Inzest eben doch irgendwie immer nur Vergewaltigung Minderjaehriger durch ein Elternteil sein kann.


    Nico S.

  • Dann doch einfach mal meine Meinung als Grundsatzvorlage.


    Strafbar sollte bleiben der GV mit: Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, und deren Kindern, Enkeln, Urenkeln.


    Ich sehe hier ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis, auch bei Volljährigen, insbesondere Vater/Tochter. Die jeweiligen potentiellen Abhängigkeiten entwickeln sich bereits im Kindesalter und reichen sehr oft bis uns hohe Alter.


    Die Strafbarkeit bei Geschwistern gehört abgeschafft.

  • Ich verweise auf den Wikipedia-Artikel, den baer oben verlinkt hat: Wir sollten uns der französischen Regelung anschließen und den Sonder-Paragraphen abschaffen. Wo kein Zwang und keine Nötigung existiert und alle Beteiligten volljährig sind, hat der Gesetzgeber nix zu suchen.


    Meine Meinung.


    Nico S.

  • Diesem Bericht zufolge hält das BverfG die derzeitige gesetzliche Regelung für verfassungsgemäß.


    BverfG 26.02.08:
    "Der Gesetzgeber verfolge Zwecke, die „jedenfalls in ihrer Gesamtheit die Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts legitimieren“: Als Strafgrund stehe der grundgesetzlich geforderte Schutz von Ehe und Familie an erster Stelle. Inzestverbindungen führten zu einer Überschneidung von Verwandtschaftsverhältnissen und sozialen Rollenverteilungen und damit zu einer Beeinträchtigung der in einer Familie strukturgebenden Zuordnungen. Zudem diene das Inzestverbot dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung. § 173 habe spezifische, durch die Nähe in der Familie bedingte oder in der Verwandtschaft wurzelnde Abhängigkeiten im Blick. Weiterhin rechtfertige auch der Schutz vor Erbschäden das Inzestverbot." Die Entscheidung erging mit 7:1 Stimmen.


    Zitat

    NicoS
    Wo kein Zwang und keine Nötigung existiert und alle Beteiligten volljährig sind, hat der Gesetzgeber nix zu suchen.


    Dem stimme ich grds. zu, aber eben nur grundsätzlich. Nicht alles, was biologisch zu vertreten ist, muss auch erlaubt werden.


    Insbesondere im Verhältnis Eltern/Kinder, wohl aber mehr Vater/Tochter sehe ich einen gewissen gesetzlichen Schutzbedarf über die Zeit des Heranwachsens hinaus. Gerade in guten Vater-/Tochterbeziehungen entstehen sehr oft in der Pubertätsphase und darüber hinaus töchterseits gewisse Idolbildungen, wie wir sie auch innerhalb der Schule kennen. Anders aber als in der Schule, können zu den Eltern tiefverwurzelte Autoritätsdramen, unterbwusste Abhängigkeiten entstehen, die selbst über den Tod hinaus bestehen bleiben.


    Für mich persönlich ist der moralische Aspekt auch nicht von der Hand zu weisen.


    Frankreich kann für mich nicht als Maß der Dinge betrachtet werden, dort ist bspw. die Prügelstrafe mit Hifsmitteln als Erziehungsmaßnahme Hernawachsender innerhalb der Familie gesetzlich zulässig und auch verbreitet; außerdem haben die uns gerade 2:1 geschlagen!

    Die begehrenswerteste aller Frauen ist die, mit der ich weinen kann.



    Dieser Beitrag wurde bereits 4 Mal editiert, zuletzt von mausbacher ()

  • Nico, ich wollte nicht unfair sein. Besonders nicht Dir gegenüber, der Du das Thema so schön differenziert siehst zwischen "moderner Zerrissenheit und Orientierungslosigkeit". Deshalb habe ich auch explizit festgestellt, daß Du nicht für die Straffreiheit von Gewalttätigkeit in der Familie eingetreten bist:


    "Nico geht natürlich von einverständlichem Sex zwischen Erwachsenen aus. In der Famile läßt sich das Einverständnis und das Gegenteil davon aber oft nur ganz schwer beweisen, wie die geschilderten Fälle zeigen."


    Das praktische Dilemma liegt eben im Nachweis wie die beiden Beispiele plastisch zeigen. Beides sind klare Gewaltverbrechen, jedoch behauptet der Vater, es habe alles im Einvernehmen stattgefunden. Den Geschlechtsverkehr kann man uU (zB bei Schwangerschaft) recht leicht durch Sachbeweise belegen, das Einverständnis nicht. Die meisten Vergewaltiger behaupten bekanntlich, daß es sich um einvernehmlichen Sex gehandelt habe. Ein Vater kann das aufgrund des Autoritätsverhältnisses noch einfacher.


    Bei Strafbarkeit von Inzest ist der Geschlechtsverkehr jedenfalls pönalisiert (und, falls nicht schon verjährt wie im 2. Beispiel, auch zu bestrafen), wenn man schon die Gewalt nicht bestrafen kann.


    Die Frage ist doch: Was wiegt schwerer? Soll man zugunsten der Freiheit der einen den Schutz der anderen aufs Spiel setzen?


    In Frankreich sind mit der Rechtslage auch nicht alle glücklich, cf. "Dépénaliser l’inceste n’est pas une bonne idée", Le Temps vom 18. September 2010.


    Ich will aber jetzt keine Lanze für die Kriminalisierung von Sex zwischen Erwachsenen brechen! Meine Beispiele sollten nur in ihrer extremen Form die Problematik erhellen. Sonst besteht nämlich umgekehrt die Gefahr, daß man allzu schnell der Meinung ist, der Staat habe einfach nichts im Schlafzimmer verloren. Entkriminalisiert man also jede Form von Inzest?


    Die Tochter (oder der Sohn) kann aber sehr wohl schutzwürdig sein, anders als bei manchen anderen strafbaren Sexualtatbeständen (Homosexualität, Schutz mündiger Minderjähriger).


    Im Thread zu "Im Netz gefangen" habe ich ebenfalls versucht, einen möglichst ausgewogenen Standpunkt zu beziehen.


    Inzest (zwischen Verwandten in absteigender Linie) ist seit Jahrtausenden ein rechtliches, moralisches und religiöses Tabu. Das hat viele Gründe, die in der von mir angeführten Literatur behandelt werden.


    Hier im Café Eros wollte ich die Grenzen der Liberalisierung zum Schutz der Kinder (auch wenn diese schon großjährig sind) thematisieren.


    Die alleinige Wahrheit habe ich nicht!


    Ich hoffe, Du verstehst meine Ausführungen so wie sie gemeint sind.


    baer

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

  • Könnte man nicht einmal Gesellschaften zum Vergleich heranziehen, in denen freiwilliger, nicht irgendwie genötigter, Sex zwischen Geschwistern und mit Eltern erlaubt ist.....

  • In Schweden ist der Inzest nicht verboten, inzestuöse Ehe unterliegt einer vorherigen Beratung.


    In Frankreich und Indien ist der Inzest unter Erwachsenen nicht verboten.


    Russland: Einvernehmlicher Inzest zwischen Erwachsenen ist nicht verboten; inzestuöse Ehe verboten.

  • Zitat

    Original von baer66
    Die meisten Vergewaltiger behaupten bekanntlich, daß es sich um einvernehmlichen Sex gehandelt habe. Ein Vater kann das aufgrund des Autoritätsverhältnisses noch einfacher.


    Nicht nur für einen Vater, auch für einen Chef gilt das. Für Vergewaltigung gibt es ohnehin einen extra Paragraphen, der für alle Fälle gilt – warum muss es also einen Inzestparagraphen geben, der, wie schon erwähnt, nur die vaginale Penetration verbietet, alle anderen sexuellen Handlungen aber außen vor lässt.



    Zitat

    Original von baer66
    Ich will aber jetzt keine Lanze für die Kriminalisierung von Sex zwischen Erwachsenen brechen! Meine Beispiele sollten nur in ihrer extremen Form die Problematik erhellen. Sonst besteht nämlich umgekehrt die Gefahr, daß man allzu schnell der Meinung ist, der Staat habe einfach nichts im Schlafzimmer verloren. Entkriminalisiert man also jede Form von Inzest?


    Es geht nicht um jede Form von Inzest, sondern nur um sexuelle Beziehungen unter Erwachsenen, die miteinander eng verwandt sind. Nur das soll entkriminalisiert werden.



    Zitat

    Original von baer66
    Die Tochter (oder der Sohn) kann aber sehr wohl schutzwürdig sein, anders als bei manchen anderen strafbaren Sexualtatbeständen (Homosexualität, Schutz mündiger Minderjähriger).


    Homosexualität ist nicht strafbar und für Schutz Minderjähriger sind andere Paragraphen zuständig - siehe Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§174 bis 184 StGB).



    Zitat

    Original von baer66
    Inzest (zwischen Verwandten in absteigender Linie) ist seit Jahrtausenden ein rechtliches, moralisches und religiöses Tabu. Das hat viele Gründe, die in der von mir angeführten Literatur behandelt werden.


    Es gab schon viele rechtliche, moralische und religiöse Tabus, die im Laufe der Zeit abgeschafft wurden. Dass wir in Deutschland immer noch an dem Inzestverbot festhalten, ist der Einfluss der Kirchen zu verdanken und natürlich dem Unkenntnis: Sehr viele denken, damit würde sexueller Missbrauch von Kindern verhindert bzw. bestraft, wofür aber, wie oben gesagt, ganz andere Paragraphen zuständig sind.


    Außerdem ist eine Schwangerschaft kein Beweis für einen Inzest: Die Geschwister müssen nur ab und zu im Ausland gewesen sein und einen cleveren Anwalt haben, schon gerät der Staatsanwalt in Beweisnot, denn er muss beweisen, dass ein vaginaler Geschlechtsverkehr stattgefunden hat, weil nur der bestraft werden kann. Und wie will er das beweisen? Durch Kamera im Schlafzimmer?


    Ich wiederhole: Der Staat hat nicht die Aufgabe, das sexuelle Leben Erwachsener zu überwachen oder ihnen vorzuschreiben, wen sie sich als Partner aussuchen dürfen.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Danke für Deine ausführliche Auseinandersetzung mit meinem Beitrag und für deine Argumente, Erpan.


    Ich bin mir nicht sicher, wie man die Problematik am besten löst. Auf Details, welche sexuellen Praktiken in welchen Ländern strafbar sind, möchte ich jetzt nicht eingehen.


    Die Kernfrage ist wohl: Nützt oder schadet die Strafbarkeit von Inzest mehr?


    Und ist es wirklich besser, daß (erwachsene) Kinder sich ohne Hemmungen einer vielleicht irreführenden und belastenden Beziehung mit ihren Eltern hingeben?


    Ich bin froh, daß ich das nicht zu entscheiden habe!


    baer

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

  • Zitat

    Original von Erpan
    Au�erdem ist eine Schwangerschaft kein Beweis f�r einen Inzest: Die Geschwister m�ssen nur ab und zu im Ausland gewesen sein und einen cleveren Anwalt haben, schon ger�t der Staatsanwalt in Beweisnot, denn er muss beweisen, dass ein vaginaler Geschlechtsverkehr stattgefunden hat, weil nur der bestraft werden kann. Und wie will er das beweisen? Durch Kamera im Schlafzimmer?


    Naja, das geht heute schon - durch einen gerichtlich angeordneten Gentest ...


    Ansonsten: volle Zustimmung. Du hast genau die einschlaegigen Punkte herausgesucht.


    Nico S.

  • Zitat

    Ansonsten: volle Zustimmung. Du hast genau die einschlaegigen Punkte herausgesucht. Nico S.


    Das ist deine Meinung und entkräftet zumimdest meine Argumentation und die des BverfG in diesem einen Punkt keinesfalls.

  • Zitat

    Original von baer66
    Die Kernfrage ist wohl: N�tzt oder schadet die Strafbarkeit von Inzest mehr?


    Und ist es wirklich besser, da� (erwachsene) Kinder sich ohne Hemmungen einer vielleicht irref�hrenden und belastenden Beziehung mit ihren Eltern hingeben?


    Was nutzt grundsaetzlich die Strafbarkeit von irgendetwas? Bekanntlich werden selbst Verbrechen, auf die die Todesstrafe steht, in den betreffenden Laendern froehlich weiter veruebt. Da nun aber ein Inzest unter Erwachsenen a) die Gesellschaft nicht schaedigt und b) es genuegend andere Paragraphen gibt, die jede fragwuerdige Handlung eines der Beteiligten verfolgbar macht - was soll da dieses spezielle Verbot noch nutzen?


    Und was nun irrefuehrende und belastende Beziehungen betrifft: Waere dies ein auch nur irgendwie greifbares allgemeines Rechtsgut, dann muesste es auch bei einem zu deutlichen Altersunterschied der Partner greifen und darueber hinaus in vermutlich ueber 50 % aller Ehen und sonstigen Partnerschaften. Nein, hier geht es nicht wirklich um den Schutz eines Menschen (also eines Partners in einer Inzest-Beziehung), sondern um den "Schutz" der Gesellschaft vor der Konfrontation mit den eigenen Irrtuemern: Da wird ein antiquiertes Rechtsverstaendnis einfach fortgeschrieben, das in unserer Zeit einfach nichts mehr zu suchen hat - aehnlich wie das Bigamie-Verbot uebrigens und die immer noch nicht abgeschlossene Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften.


    Nico S.

  • Die meisten Menschen verfügen über eine natürliche Inzestmeidung, schreibt das Gesundheitsportal. Auch unter nicht verwandten Kindern, die gemeinsam aufwachsen, ist das Interesse an sexuellen Kontakten innerhalb der Gruppe in der Regel sehr gering.


    Dagegen beruht laut dem Spiegel-Wissen-Lexikon nach Auffassung der Psychoanalyse die Neigung des Kleinkindes zum gegengeschlechtigen Elternteil auf einem ursprünglichen Inzestwunsch, der unter der Einwirkung von Elternhaus und Gesellschaft ins Unbewusste abgedrängt wird, sich aber im Mythos, im Traum und als Ursache seelischer Störungen manifestiert (Ödipuskomplex).


    Über Inzest-Verbot und Ödipuskomplex: Ursachen und Gesetzeslage in Österreich


    Sex mit Verwandten in Österreich gesetzlich verboten
    Inzestmeidung im Normalfall genetisch verankert



    Ich weiß nicht, ob ich da der Psychoanalyse trauen kann. Hier geht es um seelische Störungen, notabene nicht um Strafbarkeit!


    Haltet Ihr Inzest für eine Auflehnung gegen die Verdrängung? Ist der Ödipuskomplex positiv?


    baer

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

  • Zitat

    Original von NicoS
    Naja, das geht heute schon - durch einen gerichtlich angeordneten Gentest ...


    Durch einen Gentest kann man nur feststellen, wer wirkliche Eltern sind, aber nicht, wie die Schwangerschaft zustande gekommen ist. Und nur darauf kommt es an, denn nur der (vaginale) Beischlaf zwischen den Verwandten wird bestraft, was allerdings der Staatsanwalt beweisen muss. Wenn sich die beiden weigern zu gestehen, miteinander geschlafen und auf diese Weise Kind gezeugt zu haben, dann hat der Staatsanwalt schlechte Karten.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Der Staat besitzt das Strafmonopol.


    Dazu gehört:


    Festlegen, welche Handlungen als strafbar eingestuft werden sollen.


    Festlegen, welche Strafen grundsätzlich verhängt werden dürfen.


    Die verhängte Strafe muss vollzogen werden.


    Nur wenn der Staat das alleinige Recht hat zu strafen, kann er seine Aufgabe, das Zusammenleben der Menschen zu ordnen, erfüllen.


    Das ist Lehrbuchwissen.


    Deshalb argumentiert ja Hassemer in seiner abweichenden Meinung (wikipedia, Inzest aaO):


    "§ 173 StGB verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es liege kein Rechtsgut vor, dessen Verletzung im Inzestfall einen Strafgrund darstellen würde. Im Fall von volljährigen, konsensuell agierenden Geschwistern sei schlichtweg nicht klar, wessen Rechte durch den Geschlechtsverkehr eingeschränkt werden sollten. Es handele sich vielmehr um eine opferlose Straftat. Eine Hauptstütze des Inzestverbots seien sogenannte „eugenische Gesichtspunkte“, also die Verhinderung von Erbkrankheiten. Hierbei sei jedoch einerseits nicht klar, wieso das Gesetz auch bei erfolgender Verhütung und sogar bei vorheriger Sterilisation Anwendung findet. Zum anderen verbiete es sich schon von Verfassungs wegen, den Schutz der Gesundheit potentieller Nachkommen zur Grundlage strafgesetzlicher Eingriffe zu machen. Das Strafrecht kenne aus guten Gründen eine Strafbarkeit des Beischlafs selbst dort nicht, wo die Wahrscheinlichkeit behinderten Nachwuchses höher ist und die erwartbaren Behinderungen massiver sind als beim Inzest. Das Inzestverbot diene nicht dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung, darauf habe sich noch nicht einmal der Gesetzgeber berufen. § 173 StGB sei auch nicht geeignet, dem Schutz von Ehe und Familie zu dienen: Zu diesem Zweck sei die Vorschrift einerseits zu eng, weil sie nur den Beischlaf, nicht aber andere sexuelle Handlungen unter Strafe stellt und nicht-leibliche Geschwister nicht mit einbezieht, andererseits zu weit, weil sie Verhaltensweisen erfasse, die sich auf das Familienleben nicht (mehr) schädlich auswirken können."


    Aber das weißt Du ja, Nico.


    Deine (rhetorische) Frage "Was nutzt grundsaetzlich die Strafbarkeit von irgendetwas?" kann ich nur als Polemik in der Hitze des Gefechts deuten.


    Trotzdem danke für Deine Entgegnung!


    Herzlichst :] 
    baer

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von baer66 ()

  • Zitat

    Original von baer66
    Die meisten Menschen verfügen über eine natürliche Inzestmeidung, schreibt das Gesundheitsportal. Auch unter nicht verwandten Kindern, die gemeinsam aufwachsen, ist das Interesse an sexuellen Kontakten innerhalb der Gruppe in der Regel sehr gering.


    Eben – entscheidend für das geringe Interesse an sexuellen Kontakten ist das gemeinsame Aufwachsen, der Stallgeruch.


    Aber es gibt eben Fälle, die das verhindern: Sie wachsen getrennt auf und lernen sich erst als Erwachsene oder beinahe Erwachsene kennen und lieben. Das war bei dem Leipziger Geschwisterpaar so. Sie haben anfangs nicht gewusst, dass sie Geschwister sind, trotzdem musste der Mann ins Gefängnis.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Zitat

    Original von baer66
    Der Staat besitzt das Strafmonopol.


    Und? Der Staat kann sich auch irren und hat das schon oft getan - siehe z.B. Strafbarkeit von Homosexualität, die erst in den 70er Jahren des 20ten Jahrhunderts ersatzlos abgeschafft wurde.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend