Ewiger Schönheitsbegriff?

  • Gibt es ideale weibliche Schönheit über die Jahrhunderte? Ich meine ja!


    Sandro Botticellis Venus ist seit über 500 Jahren ein Beispiel dafür. Das Bild ist natürlich auch im SB vertreten.


    Vor einigen Jahren war es im Städel in Frankfurt zu sehen und man verglich es in der Welt mit Giselle Bündchen ("betörend schöne Schwestern").


    Uwe Wittstock, Was Botticellis Venus und Giselle Bündchen vereint, Welt Online, 15.11.2009


    Ist Botticellis Bild der Simonetta Vespucci das Ideal nackter weiblicher Schönheit? Was sagt Ihr dazu?

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

  • Diesen Gedanken kann ich sehr schwer nachvollziehen. Natuerlich kennt die europaeische Kunsttheorie den Goldenen Schnitt, und die Miss XY Wahlen produzieren jedes Jahr eine Reihe, die wie geklont wirkt, aber umfassend ist der Schoenheitsbegriff damit noch lange nicht definiert. Und selbst wenn wir mal die aussereuropaeischen Kulturen weglassen und uns auf die juengste Zeitgeschichte konzentrieren (also eigentlich eine extreme Beschraenkung vornehmen), lassen sich bei allem Fuer und Wider doch immer wieder sehr unterschiedliche Schoenheitsbegriffe entdecken. An dem oben genannten Beispiel wird auch eins klar: Eine "perfekte" Schoenheit kann im Gefuehl der Wahrnehmung leicht zu einer langweilig, ja uninteressant scheinenden Form werden und damit diese ihre Schoenheit im Wahrnehmungsprozess wieder verlieren.


    Und wenn wir nun gar ueber die Jahrhunderte gehen, so kommen wir noch mit einem anderen Element ins Gehege: Die Techniken und Absichten der Darstellung sind ebenfalls nicht gleich geblieben. So hatte ein Maler der Renaissance oder der Romantik moeglicherweise ganz andere Intentionen als ein Fotograf der Gegenwart. Und selbst wenn wir auf einem Bild von Botticelli eine Abbildung entdecken, die uns als "schoen" erscheint, bleibt es eine offene und fuer uns Heutige nicht beantwortbare Frage, ob umgekehrt der Mensch und Maler Botticelli die Aktaufnahmen beispielsweise eines Helmut Newton ebenfalls als Darstellungen seines Begriffs von Schoenheit empfunden haette.


    Nico S.

  • Interessante Frage, was ein Renaissancemaler zu Aktfotografien gesagt hätte. Es hätte ihm vielleicht der Verfremdungseffekt gefehlt? Oder er hätte gefürchtet, daß der Fotograf dem Modell die Seele geraubt hat wie das in vielen Gesellschaften bis heute angenommen wird.


    Dennoch bleibt die Faszination einer schönen nackten Frau. Und die Ähnlichkeit von Bündchen mit der Venus des Botticelli. Kunsthistoriker vermissen den goldenen Schnitt beim berühmten Bild des Malers sogar.

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

  • "Die Faszination einer schönen nackten Frau" mag ja gleich geblieben sein, wenn man da überhaupt einen Vergleich ziehen möchte, da dies einen quantifizierbaren Wert voraussetzt. Das sagt aber noch nichts aus über deine Eingangsthese. ;)


    Nico S.

  • Das klassische griechische Ideal der "edlen Einfalt und stillen Größe" (Winckelmann) war es, das die Renaissancemaler anstrebten. Ein klassisches (europäisches) Schönheitsideal?


    vgl. "Idealbildnis", Botticellis zeitlose Schönheit, Frankfurter Rundschau, 9.8.2007

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

  • Na ja, im Barock und Rokoko galten wesentlich korpulentere Frauen als schön. Auch später - die Frauen auf den Aktaufnahmen des Viktorianisches Zeitalters etwa oder die der 50er Jahre des 20ten Jahrhunderts – sind weit davon entfernt von den Idealen der alten Griechen, der Renaissance oder der heutigen Zeit.


    Die Antwort müsste also heißen: Nein, es gibt keine ideale weibliche Schönheit über Jahrhunderte hinweg.

    In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. - Marquis de Sade in Justine oder die Leiden der Tugend

  • Ob das Bild Botticellis im Barock nicht gefallen hätte nur weil die damaligen Liebesgöttinnen fülliger waren?


    Das Grundbemühen menschlicher Existenz um Schönheit macht nicht bei konkreten Vorlieben einer Epoche halt, es gibt zeitlose Schönheit in der Natur und bei den Menschen. Eine schutzlos den Blicken des Betrachters ausgelieferte, nackte, zerbrechliche junge Frau mit geheimnisvollen Zügen: Wem hätte die je nicht gefallen?

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

  • Habe grad eine Bilderserie gefunden, die das Thema wunderbar illustriert:


    Photoshop-Manipulation: Botticellis ''Venus'' auf Diät


    Die italienische Künstlerin Anna Utopia Giordano führt in dem Projekt "Venus" eindrucksvoll das sich ständig verändernde Schönheitsideal vor Augen: Sie hat berühmte Kunstwerke mit Photoshop bearbeitet und die weiblichen Körper an die aktuellen Wunschmaße angepasst.



    Viel Spaß beim Schauen!


    baer

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)

  • Dieser Frauenkörper vor ihm mit den langen, immer noch feuchten Haaren, erinnerte Anton an die Venus von Botticelli.
     
    Er erhob sich und machte einen Schritt auf sie zu. Unsicher streckte er seine Hand aus und berührte ihre Wange. Er musste es einfach tun. Er streichelte ihr Gesicht, ihren Hals und die Schulter.



    Immer aktuell!
    qed ;)


    baer

    Lector, intende,
    laetaberis!
    (Lieber Leser, paß auf, Du wirst Deinen Spaß haben! – Apuleus)