Eine Geschichte, die, wie ich finde, nicht nur aus dem Œuvre des Autors heraussticht, sondern auch aus dem allgemeinen Wust an „erotischen“ (was auch immer unter diesem Begriff genau zu verstehen sein mag) Veröffentlichungen im Netz, und zwar auf positive Art und Weise.
Das Bemerkenswerte in Hinblick auf die Mehrzahl der anderen Texte des Autors ist, dass der vorliegende Text ohne parodistisch-satirische Unter- bzw. Obertöne daherkommt, was ihm ein Maß an Ernsthaftigkeit verleiht, das in ähnlicher Prägung nur auf eine Handvoll anderer Texte des Autors zutrifft (z.B. „Dies Irae“, „Frühlingssonne“, „Adam und Eva“); das Bemerkenswert in Hinblick auf die Mehrzahl der sonstigen „erotischen“ Veröffentlichungen im Netz ist, dass der vorliegende Text diese durch seinen sprachlichen Gestaltungswillen, der zuweilen an das literarische Gegenstück einer impressionstischen Momentaufnahme erinnert, aussticht.
Was der Autor mit diesem Text unter Beweis stellt, ist sein schriftstellerischer Wille zu mehr als dem fixen Parodieren von „Geschichten“ (ohne Anführungsstriche dieses Wort an dieser Stelle schlichtweg keinen Sinn ergäbe) nach dem üblichen WV-Strickmuster. Stattdessen lädt der vorliegende Text den geneigten Leser dazu ein, ein wahres Sinnenerlebnis alpiner (?) Natur vermittels der Sprache und ihrer Bilder zu erfahren. Dieses durch und durch impressionistische Ziel auf dem Weg der Sprache, der um so vieles indirekter und weniger sinnlich ist als bspw. der Weg der Malerei, zu verfolgen nötigt Respekt ab, zweifellos. Und es sind insbesondere die ersten vier Absätze, reich an Naturschilderungen, die mich für den vom Autor gewählten Weg begeistern konnten. Hier erlebte ich den Aufstieg zum und das Erreichen des Bergsees am stärksten mit. Hier waren die Sprachbilder am eindrücklichsten und treffendsten. Einzig das Pathos bewegte sich stellenweise an der Grenze zum Kitsch (z.B.: „bis [...] der geballte Sonnenschein [...] die Seele mit Licht erfüllt“), ohne diese aber – im Ggs. zu manch einem anderen Text des Autors – vollumfänglich zu überschreiten. Die nachfolgenden Absätze, leider, sind durchsetzt mit Brüchen in den Bildern und des allgemeinen Sprachregisters. Das nimmt seinen Anfang gleich im ersten Satz des fünften Absatzes, wo es heißt: „Kurzerhand [...] reißen [wir] uns die Klamotten vom Leib“. Dieses schnoddrige ‚Klamotten vom Leib reißen‘ passt sich nicht ein in die vergleichsweise unschnoddrige Sprache der vorhergehenden Absätze; und dies ist nur der erste in einer Reihe von nachfolgenden sprachlichen Brüchen, wie z.B. das seltsam verschämte „und in mir beginnt ein gewisses Verlangen zu brennen, das mich forscher werden lässt“ oder die gleichsam verhüllende Rede vom „schattige[n] Intermezzo“ sowie der unmotivierte Perspektivwechsel, als der der Ich-Erzähler seine Freundin, die zweite Figur im Text, plötzlich duzt. Dazu kommen Sätze, wie der soeben angesprochene Du-Rede-Satz, die irgendwie keinen rechten Sinn ergeben wollen oder sich in ihrer flapsigen Simplizität („Wir sind ein eingespieltes Team was das betrifft.“) an nachfolgenden metaphorischen Elaboraten („Es dauert nicht lange, obwohl uns die Momente der Ekstase so sehr bannen, das Raum und Zeit um uns herum zu einer viskosen Masse verschwimmen.“) brechen. Und bezeichnenderweise spiegelt sich diese Bruchhaftigkeit im Anfang des Texts genauso wie in seinen letzten Zeilen. Wo am Anfang ein unglücklich gewähltes Wort („umzäunt“) die umliegenden Sprachbilder maßgeblich stört, stört am Ende eine kitschige Apposition („Arm in Arm, Herz an Herz“) das eigentlich gelungene Schlussbild. Fürwahr, das ist schade. Und es schmälert das Lesevergnügen in nicht geringem Ausmaß.
Was den „erotischen“ Teil des Texts anlangt, so finde ich nicht, dass dieser eigentlich zu kurz kommt, denn immerhin sind ihm im Prinzip zwei breite Absätze gewidmet. Das Problem, ähnlich wie oben bereits ausgeführt, liegt m. E. vielmehr in den gewählten Sprachbildern, die diesem Teil eine umständliche und seltsam verschämte Prägung verleihen (vgl.: „Ich nähere mich ihr vorsichtig, darauf bedacht mein Anliegen noch zu verbergen [...]“). Die Entfaltung einer eigentlich erotischen Wirkung auf den geneigten Leser wird so zumindest erschwert (und im Fall weniger empfindsamer Naturen vermutlich gänzlich unmöglich gemacht). Davon ab finden sich zudem Beobachtungen, deren Beschreibung an entsprechender Stelle irgendwie unlogisch erscheint, wie z.B. der „sehnige Körper“ der Freundin des Ich-Erzählers, als diese neben ihm schwimmt, was aufgrund des Wasser-zu-Körper-Verhältnisses beim Schwimmen einer eingehenden Beobachtung ihres Körpers rein logisch eher hinderlich sein sollte.
Schlussendlich aber ist diese Kritik ein bloßes Kratzen an der Oberflächliche – obgleich ein eher unschönes, freilich –, denn im Vergleich zur Mehrzahl der sonstigen „erotischen“ Veröffentlichungen im Netz ist dieser „Bergeseesommer“ in der Grundanlage gelungen; die Probleme liegen vornehmlich in der finalen Wortwahl und Satzkonstruktion. Ein Text also, der – wie manch anderer des Autors – vielleicht eine (sprachliche) Überarbeitung lohnen könnte! Ich würde eine solche liebend gerne lesen.
MfG
Auden James