Ich vermisse bisher deutliche Spuren von Gustav Klimt im SB. Das möchte ich im Klimt-Jahr 2012 gerne ändern.
Als Einführungsbeitrag einmal ein Artikel über die aktuelle Ausstellung von Graphiken in der Albertina.
Albertina: Sex als melancholische Weltflucht
13.03.2012 | 18:21 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)
Dünne Vorhänge lassen nur milchiges, weiches Licht durch die Atelierfenster. Auf zwei Staffeleien stehen noch zwei unvollendete Gemälde, „Die Braut“ und „Dame mit Fächer“. Dahinter erkennt man ein breites Bett mit schwarz-weiß gestreiftem Überwurf. Davor stehen ein schlichter quadratischer Hocker und ein niedriges Zeichenpult. So hielt der Fotograf Moritz Nähr das Atelier Gustav Klimts in Hietzing direkt nach dessen Tod 1918 fest. Es ist ein Blick durch das Schlüsselloch in einen Ort, der in Wien um 1900 als einer der verruchtesten galt – das Atelier des teuersten Malers der Stadt, in dem dieser als „animalisch“ beschriebene, so exzentrisch wie verschlossene Kerl von einem Künstlergenie Orgien mit seinen nackt um ihn herumstreichenden Modellen feierte. Huch.
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Hier wurden Tabus gebrochen, hier posierten arme Wiener Wäschermädeln als Femmes fatales, als nackte Schwangere, als Lesbierinnen, als Masturbierende. Und Klimt hielt sie erst mit Kohle, später mit Bleistift fest. Täglich, nach einem bestimmten Zeitplan, wie seine Kalender zeigen.
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Klimts schamlose Darstellung von Sexualität als existenziellem Lebensmoment hat seinen jugendlichen Verehrer Egon Schiele wohl tief beeindruckt. Nackte Körper erstrecken sich ohne Anfang und Ende wie zarte Hügellandschaften und Flüsse über die Blätter, Köpfe und Füße oft abgeschnitten, die Glieder verschlungen, der Sex als Symbol eines Dahingleitens zwischen Leben und Tod. Was ihn entscheidend von den tausenden erotischen Zeichnungen Rodins unterscheidet, die in ihrer Manie wohl eher von einem Krankheitsbild sprechen. Bei Klimt ist alles Symbol für etwas Übergeordnetes, vielleicht ja die Ästhetik gewordene Sehnsucht nach einem Ausweg aus dieser Welt, den er, der kräftige Bursche aus einfachem Haus nur beobachten, aber nicht selbst wählen konnte: Diese damals so moderne melancholische Entrücktheit, die er bei den Bürgerdamen beobachtete, die er porträtierte.